Richard G. Plaschka-Preis 2016

Idrit Idrizi wird für seine Dissertation Herrschaft und Alltag im albanischen Spätsozialismus (1976-1985) ausgezeichnet.


Er beschäftigt sich in seiner wissenschaftlichen Forschung mit der Spätphase des kommunistischen Herrschaftssystems Albaniens. Seine Arbeit stützt sich vorwiegend auf archivalische Hinterlassenschaften des kommunistischen Partei-Staates und leitfaden-gestützte Interviews mit Zeitzeugen, die im Sozialismus weder zur Elite gehörten noch politische Häftlinge waren. Als kennzeichnendes Merkmal des albanischen Spätsozialismus identifiziert die Studie das konsequente Streben der Regimeführung nach totalitärer Kontrolle in einer Art und Weise, die von anderen kommunistischen Regimen Osteuropas in der post-Stalin-Ära nicht mehr praktiziert wurde. Dieses Streben führte wiederum zu Unübersichtlichkeit, Ineffizienz und Selbstüberforderung, die als charakteristische Merkmale der Spätphase sozialistischer Systeme gelten, aber im albanischen Fall besonders stark ausgeprägt waren. Auf die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität antwortete die albanische Führung mit totalitären Mitteln: Mobilisierung des gesamten Partei-Staates und der gesamten Bevölkerung sowie Repression. Staat und Gesellschaft befanden sich deshalb in einem Dauerausnahmezustand, der das Streben nach totalitärer Macht gleichzeitig unterstützte und unterminierte und eine für den Stalinismus kennzeichnende Atmosphäre von Angst, Unsicherheit und Misstrauen erzeugte. Parallel zu Mobilisierung und Repression betrieb das albanische Regime einen erheblichen Aufwand zur Einbindung der Bevölkerung, allem voran durch den Kult um den kommunistischen Herrscher Enver Hoxha, die  Inszenierung der kommunistischen Führung als die zum Herrschen berechtigte Avantgarde  und die Propagierung von Patriotismus bzw. das Schüren von Ängsten vor einer „feindlichen Belagerung“. Während die Wirkungsweise dieser herrschaftslegitimierenden Strategien variierte, schlug die Mentalität, dass der/die Bürger/in sich dem Staat vollkommen unterordnen muss, tiefe Wurzeln in weiten Teilen der Gesellschaft. 

Der Preisträger

Idrit Idrizi studierte Geschichte und Menschenrechte an der Universität Wien und an der Freien Universität Berlin (Erasmus). 2016 promovierte er im Fach Geschichte am Institut für Osteuropäische Geschichte der Universität Wien. Von 2012 bis 2014 war Idrit Idrizi Stipendiat des Doktorand/inn/enprogramms der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. 2015 erhielt er das Abschlussstipendium der Universität Wien. 2016 wurde Idrit Idrizi ein Stipendium des Post-Doc-Track-Pilotprogramms der Österreichischen Akademie der Wissenschaften zuerkannt.