Wilhelm Hartel-Preis 2024

Konrad Paul Liessmann wird für seine Forschungen zur Bildungsphilosophie und der öffentlichen Vermittlung von Philosophie und Ethik ausgezeichnet.

Konrad Paul Liessmann ist neben seinen anerkannten und hochgeschätzten Leistungen in der Fachphilosophie seit Jahrzehnten einer der bekanntesten und in der breiteren Öffentlichkeit sichtbarsten Vertreter seines Fachs. Durch seine Forschungen zur Bildungstheorie und Kulturphilosophie, Ethik und Ästhetik und durch seine Präsenz als sachkundiger und wortmächtiger Intellektueller vermag er es auf außergewöhnliche Weise, Themen und Streitfragen in einer klaren und zugespitzten Sprache zu beleuchten. Diese Eigenschaften zeichnen nicht allein seine zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen aus, sondern ebenso seine Interventionen in der Öffentlichkeit.

Konrad Paul Liessmann versteht es, fachphilosophische wie allgemein interessierende alltagsphilosophische Fragen in einer Art und Weise aufzugreifen, welche die Philosophie weit über die Universität hinaus einer breiten Öffentlichkeit als eine gesellschaftlich wichtige Praxis vermittelt und Interesse an ihr weckt. Als wissenschaftlicher Leiter des seit 1997 bestehenden Philosophicums Lech hat Konrad Paul Liessmann Jahr für Jahr ein klares Gespür für aktuelle Tendenzen und Kontroversen in der Philosophie und in ihren Nachbardisziplinen bewiesen und gesellschaftliche Krisenphänomene neu interpretiert. Diese mit großer Resonanz auf Seiten des Fachpublikums und der breiteren Öffentlichkeit veranstalteten, international und interdisziplinär besetzten Symposien spiegeln die außergewöhnliche Interessenvielfalt ihres wissenschaftlichen Leiters wider.

Für Konrad Paul Liessmann bildet die philosophische Ästhetik einen grundlegenden Impuls seines Denkens. Seine Beiträge zur Gegenwartskunst („Philosophie der modernen Kunst“), zur Lehre der ästhetischen Empfindungen im Rückgriff auf die entsprechenden Debatten im 18. Jahrhundert („Reiz und Rührung“) sowie zur Schönheit als maßgeblichem ästhetischen Leitbegriff („Schönheit“) haben nicht allein die Teildisziplin des Fachs bereichert, sondern stellen zugleich Impulse für die übrige Forschung von Konrad Paul Liessmann dar. Seine Vertrautheit mit diesen Fachgebieten ermöglicht es ihm, außergewöhnliche Perspektiven auf weit darüber hinausgehende Theoriefelder zu gewinnen. Ein herausragendes Beispiel hierfür ist seine höchst erfolgreiche Trilogie zur Theorie und Praxis gegenwärtiger Bildung und Bildungspolitik („Theorie der Unbildung“, „Geisterstunde“ und „Bildung als Provokation“).

Mit seinen Werken hat Konrad Paul Liessmann die Bildungsphilosophie als eine ei-genständige Teildisziplin der Philosophie geprägt, in der frei von Fragen der allgmeinen Didaktik und der Fachdidaktik und unabhängig von aktuellen pädagogischen oder gesellschaftlichen Trends über Bildungsfragen nachgedacht wird. Er widersetzt sich der von ihm diagnostizierten Verflachung, Vereinseitigung und Funktionalisierung von Bildung und spricht sich für den Eigensinn, die Selbstzweckhaftigkeit und die Selbstbestimmtheit von ergebnisoffenen Bildungsprozessen aus. Einen solchen Ansatz bestimmen auch sei-ne Überlegungen zur Ethik und Ästhetik im Gefolge Kierkegaards („Kierkegaard zur Einführung“) und Nietzsches („Philosophie des verbotenen Wissens“, „Alle Lust will Ewigkeit“) sowie seine zweibändige Einführung in die Philosophie („Vom Nutzen und Nachteil des Denkens für das Leben“ und „Die großen Philosophen und ihre Probleme“).

Ein Leitmotiv von Konrad Paul Liessmann liegt in der Auseinandersetzung mit den Begriffen des Wissens und des Denkens. Seine Arbeiten zur Bildungstheorie sind gegen die Verengung dieser Begriffe gerichtet. Wie Konrad Paul Liessmann argumentiert, sorgen weder Wissen noch Denken dafür, in der „Wissensgesellschaft“ Kompetenzen für ein möglichst reibungsloses gesellschaftliches Funktionieren und für die individuellen Lebensführung bereitzustellen. Alles Wissen hat die Kehrseite eines Nichtwissens, das Denken verlässt die Fixierung auf Kalküle der Verwertbarkeit. Damit ist Konrad Paul Liessmann einem Ideal von Bildung verpflichtet, welches er in seinen Werken engagiert verteidigt.

Der Preisträger

Konrad Paul Liessmann, geboren 1953 in Villach, studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Wien und habilitierte sich ebendort 1989 mit der Habilitationsschrift „Der ungestorbene Tod: Zum Begriff der Distanz als ästhe-tische Kategorie mit ständiger Rücksicht auf Theodor W. Adorno“. 1995 folgte die Ernennung zum außerordentlichen Universitätsprofessor am Institut für Philosophie der Universität Wien, 2011 die Berufung auf die Professur für Methoden der Vermittlung von Philosophie und Ethik, die er bis 2021 innehatte. Darüber hinaus war er von 2014 bis 2022 Leiter des Universitätslehrganges „Philosophische Praxis“ an der Universität Wien. Seit 1996 ist er wissenschaftlicher Leiter, seit 2024 Co-Intendant des „Philosophicum Lech“ und Herausgeber der gleichnamigen Buchreihe im Zsolnay-Verlag. Zu den zahlreichen universitären und außeruniversitären Verpflichtungen gehören unter anderem die Tätigkeit als Studienprogrammleiter (2004–2008) und Vizedekan (2008–2012) der Fakultät für Philosophie und Bildungswissenschaft der Universität Wien, als Vizepräsident der „Deutschen Gesellschaft für Ästhetik“ (2011–2015) und als Vizepräsident der „Gesellschaft für Bildung und Wissen“ (2010–2022) sowie als Obmann der „Internationalen Günther Anders-Gesellschaft“ (2012–2023).

Für seine wissenschaftlichen und essayistischen Veröffentlichungen zu Fragen der Ästhetik, Kunst- und Kulturphilosophie, zur Gesellschafts- und Medientheorie, zur Philosophie des 19. und 20. Jahrhunderts und zur Bildungstheorie erhielt Konrad Paul Liessmann zahlreiche Preise und Auszeichnungen, darunter den Österreichischen Staatspreis für Kulturpublizistik (1996), den Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz im Denken und Handeln (2003), die Auszeichnung als „Wissenschafter des Jahres 2006“, den VIZE 97 der Dagmar und Vaclav Havel Foundation Prag (2010), den Paul Watzlawick-Ehrenring (2016) sowie das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse der Republik Österreich (2023).