Stefan Prost wird für seine Forschungsarbeiten zur Paläogenetik von Wirbeltieren, insbesondere zur genetischen Reaktion von Kleinsäugetieren auf Klimaveränderungen im Pleistozän/Holozän ausgezeichnet.
Alle Lebewesen besitzen DNA (Desoxyribonukleinsäure, DNS, engl. DNA). Stirbt ein Organismus wird die DNA schnell von Enzymen sowie physikalischen und chemischen Prozessen zersetzt. Unter speziellen Umständen, wie z.B. sehr kaltem Klima oder unter Ausschluss von Sauerstoff, kann dieser Vorgang allerdings stark verzögert werden und daher Einblicke in das Erbmaterial von tausende Jahre alten Organismen ermöglichen. Sogenannte fossile DNA kann z.B. aus Knochen, Zähnen, Eierschalen oder Haaren gewonnen werden. Das „Auslesen“ fossiler DNA ist allerdings eine technisch aufwändige Angelegenheit, da die DNA meist sehr stark zerstört ist.
Nach Schätzungen des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) werden sich die globalen Temperaturen von 1990 bis 2100 wahrscheinlich um 1,4 – 5,8 Grad Celsius erhöhen. Diese globale Erwärmung ist vor allem in den Polarregionen, wie der Arktis, besonders deutlich ausgeprägt und wird voraussichtlich schwerwiegende Folgen für das dortige Ökosystem haben.
Analysen basierend auf fossiler DNA ermöglichen es, die Reaktionen diverser Arten auf frühere Klimaveränderungen quasi in „Echtzeit“ zu studieren und dadurch genauere Voraussagen über die Folgen des kommenden Klimawandels zu treffen. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, die Reaktionen sogenannter Schlüsselarten – das sind Arten, die für ein Ökosystem besonders wichtig sind – in Hinblick auf Klimaveränderungen während der letzten Eiszeit zu studieren. Im Pleistozän (2,6 Millionen Jahre bis ca. 12 000 Jahre) und Holozän (ca. 12 000 Jahre bis heute) war das Klima durch immer wiederkehrende Abfolgen von Eis- und Warmzeiten geprägt, sodass sich dieser Zeitraum sehr gut für solche Studien eignet.
Analysen fossiler DNA haben gezeigt, dass Halsbandlemminge (eine Schlüsselart des arktischen Ökosystems) während der Bølling/Allerød-Erwärmung (vor 14 700 bis 12 700 Jahren) eine starke Reduktion ihrer genetischen Vielfalt erlebten, diese aber wahrscheinlich durch erhöhte Migrationsraten wieder wettmachen konnten. Andere Arten im selben Ökosystem, wie etwa die Wühlmaus, wurden durch diese Klimaveränderung wiederum kaum beeinträchtigt.
Neben genetischen Veränderungen sind vor allem auch die Verteilung verschiedener Arten und die durchschnittliche Größe von Individuen verschiedener Populationen vom Klimawandel abhängig. So haben Halsbandlemminge seit der letzten Eiszeit etwa 81% ihres Lebensraumes verloren und werden wahrscheinlich bis 2080 auch davon noch die Hälfte einbüßen, wenn die globalen Temperaturen weiter steigen. Die Analyse all dieser Veränderungen in Schlüsselarten diverser Ökosysteme kann daher dazu beitragen, die Folgen der Klimaerwärmung auf unserer Erde besser zu verstehen bzw. voraussagen zu können.
Stefan Prost hat sein Diplomstudium am Institut für Paläontologie der Universität Wien im Jahr 2009 abgeschlossen. Seit September 2010 ist er Doktorand im Fachbereich Biologische Anthropologie am Allan Wilson Centre for Molecular Ecology and Evolution der University of Otago in Neuseeland.