Leonardo Haid erhält den Bader-Preis für Kunstgeschichte 2017 für sein Dissertationsprojekt „Die Genese der Schlacht von Cascina des Michelangelo. Ein Rekonstruktionsversuch“.
„Die Schlacht von Cascina“ war Michelangelo Buonarrotis erstes Freskoprojekt, an der um 1504 arbeitete. Der Karton für dieses Fresko ist verloren; die immense Rezeption dieses Werkes ermöglichte jedoch Rückschlüsse auf Vorzeichnungen, die Michelangelo angefertigt hatte. So gibt es Zeichnungen, die kurz vor der Übertragung in den Karton entstanden sind und sich präzise identifizieren lassen.
Ziel des Dissertationsprojektes ist es, die Genese dieses Werkes zu rekonstruieren und unter Berücksichtigung der Rezeptionsgeschichte ein Bild des fertigen Kartonentwurfs zu erstellen.
Dieser verloren gegangene Karton ist für das Verständnis des künstlerischen Werdegangs Michelangelos von großer Bedeutung: Michelangelos Figurenideal entspricht vor seiner Auseinandersetzung mit diesem Schlachtengemälde dem einer antikisierenden Statik. Nach seiner Arbeit an der Schlacht von Cascina zeigt sich eine sehr viel bewegtere und raumausgreifendere Darstellung seiner Figuren.
Zu klären ist die Frage der Entwicklung zwischen diesen beiden Idealen. Neben den „Helden“ aus Michelangelos Jugend – Masaccio und Donatello – konnte in der Rezeptionsgeschichte die Einflüsse von Andrea Mantgena und Masolino da Panicale deutlich gemacht werden, ebenso wie der Einfluss von Leonardo da Vinci. Leonardo als Michelangelos „letzter Lehrer“ hat zu jenem Stilwandel geführt, der in Michelangelos Kompositionen von nun an einen starken Drang zur Bewegung erkennen läßt. Erst in der Auseinandersetzung mit dem Schlachtenbild entwickelte Michelangelo sein umfangreiches „Gebärdenvokabular“. Er war mit einer so großen Anzahl an darzustellenden Figuren konfrontiert, dass er gleichsam einen „Figurenpool“ für sein weiteres Schaffen anlegte. Die Schlacht von Cascina wurde zwar nicht vollendet, doch griff Michelangelo manche der Entwürfe für die Gestaltung der Sixtinischen Kapelle (Deckenfresko, Altarbild „Jüngstes Gericht“) wieder auf.
Zielsetzung der Dissertation ist es, einen Vorschlag für die gesamte Komposition des Schlachtenkartons auszuarbeiten und den schöpferischen Prozess nachvollziehbar zu machen. Die Zuerkennung des Bader-Preises für Kunstgeschichte erlaubt es, noch erforderliche weitere Studienaufenthalte in Italien, Großbritannien und Spanien durchzuführen.
Leonardo Haid absolvierte 2013 das Diplomstudium Kunstgeschichte an der Universität Wien. Im Dezember 2015 wurde sein Dissertationsprojekt „Die Genese der Schlacht von Cascina des Michelangelo. Ein Rekonstruktionsversuch“ genehmigt. Von Oktober 2016 bis Anfang Jänner 2017 war Leonardo Haid Stipendiat der ÖAW am Österreichischen Historischen Institut in Rom.