Carolin Antos-Kuby und Daniel Kuby erhalten den Bader-Preis für die Geschichte der Naturwissenschaften 2014 für ihr Forschungsprojekt Forcing in der modernen Mengenlehre: Geschichte einer Konzeptionsveränderung.
Braucht es für die konzeptionelle Änderung eines ganzen Fachgebietes eine radikal neue Idee? Oder kann solch eine Veränderung auch durch die tägliche Praxis, die kontinuierliche Anwendung einer fachinternen Methodik herbeigeführt werden? Anhand dieser Fragestellung soll die Entwicklung der sogenannten Forcing-Methode in der Mengenlehre historisch nachvollzogen werden. Forcing wurde 1962 in Berkeley, Kalifornien, vom Mathematiker Paul Cohen als Antwort auf die Frage nach dem Nachweis von unabhängigen Sätzen entwickelt, eine Frage, die auf die bahnbrechende Arbeit des Logikers Kurt Gödel im Wien der 1930er Jahre zurückgeht, der die Möglichkeit solcher Sätze aufzeigte. Cohen wurde für seine Arbeit die begehrte Fields-Medaille verliehen und Forcing wurde zu einer der grundlegendsten Techniken in der modernen Mengenlehre.
Diese historische Untersuchung von Forcing, seinen Auswirkungen auf die Mengenlehre und auf die Mathematik im Allgemeinen wird fachliche Aspekte berücksichtigen, wie die Entwicklung verschiedener Varianten von Forcing, beginnend mit der ersten Formulierung durch Cohen bis hin zu den heute gebräuchlichen Formen. Es soll nachvollzogen werden, wie Forcing von einem Werkzeug zur Beantwortung von Unabhängigkeitsfragen zu einer ertragreichen Methode in allen Bereichen der Mengenlehre entwickelt wurde. Gleichermaßen kommen gesellschaftlich-politischen Aspekten in dieser Untersuchung eine wichtige Bedeutung zu, unter anderem der Frage, warum Anfang der 1960er Jahre die US-amerikanische Forschung in bestimmten mathematischen Gebieten massiv gefördert wurde und wie sich Forcing in der wissenschaftlichen Gemeinschaft von Kalifornien bis hinter den Eisernen Vorhang ausbreitete.
Durch die Untersuchung soll ein Gesamtbild entstehen, das eine Antwort auf die Frage erlaubt, ob—und, wenn ja, wie—die Forcing-Methode und ihre Anwendung die moderne Mengenlehre grundlegend verändert hat.
Carolin Antos-Kuby hat Mathematik, Physik und Philosophie an den Universitäten Wien, Frankfurt und Erlangen studiert. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kurt Gödel Research Center und Doktorandin an der Fakultät für Mathematik der Universität Wien.