Elisabeth Lutz-Preis 2022

Hannes Mikula, TU Wien, wird für seine Leistungen auf dem Gebiet der Organischen Chemie, insbesondere für seine Forschungen zur bioorthogonalen Chemie, ausgezeichnet.

Ziel der Forschungsarbeit von Hannes Mikula ist die Entwicklung chemischer Reaktionen, die höchstselektiv und kontrolliert in lebenden Systemen bis hin zum menschlichen Körper durchgeführt werden können. Während Chemie oftmals mit giftigen oder sogar explosiven Substanzen oder industriellen Prozessen in Verbindung gebracht wird, so können diese sogenannten bioorthogonalen Reaktionen sicher und gezielt eingesetzt werden, beispielsweise um dadurch die Freisetzung und Aktivierung von Wirkstoffen im Inneren von Krebszellen zu steuern. Um dies zu erreichen, werden chemische Verbindungen als molekulare Werkzeuge benötigt, die in hochkomplexen Umgebungen selektiv angewendet werden können. Dadurch ist es zum Beispiel möglich, Substanzen direkt am Zielort zu verknüpfen; man spricht dabei vom Konzept der bioorthogonalen Click Chemie, für dessen Entwicklung der Nobelpreis für Chemie 2022 vergeben wurde. Die Forschung von Hannes Mikula geht jedoch über die Verknüpfung von chemischen Bausteinen hinaus. Ziel ist es, Moleküle auch selektiv spalten und darüber hinaus kontrolliert umwandeln zu können. Dazu benötigt es funktionelle chemische Verbindungen, die in bioorthogonalen Reaktionen beispielsweise als molekulare Scheren agieren. Hannes Mikula und seinem Team ist es in den letzten Jahren gelungen, den Mechanismus der vielversprechendsten dieser Reaktionen im Detail aufzuklären und darauf aufbauend neue Verbindungen zu entwickeln, die eine höchsteffiziente bioorthogonale Bindungsspaltung ermöglichen. Entscheidend ist dabei auch, dass diese Reaktionen um Größenordnungen schneller ablaufen, als es bislang möglich gewesen ist, während unverändert eine hohe Stabilität der Reaktionspartner gewährleistet werden kann. Aufbauend auf diesen Forschungsergebnissen wurde beispielsweise ein bildgebendes Verfahren entwickelt, dass die diagnostische Untersuchung von wenigen lebenden Krebszellen über einen längeren Zeitraum ermöglicht. Das große Ziel der Forschung von Hannes Mikula ist es jedoch, Wirkstoffe mithilfe von bioorthogonalen Reaktionen so zu steuern, dass diese sicher an den Zielort navigiert oder sogar erst dort aus inaktiven Teilen zusammengebaut werden können. Damit sollen neue therapeutische Strategien ermöglicht werden, die eine zielgerichtete und vor allem sichere Behandlung mit molekularer Präzision erlauben.

Der Preisträger

Hannes Mikula hat das Studium der Technischen Chemie an der TU Wien 2008 abgeschlossen; von 2008-2014 arbeitete er im Rahmen seiner Dissertation im Forschungsbereich Organische & Biologische Chemie und promovierte im März 2014 in den technischen Wissenschaften. Während der Zeit seines Doktoratsstudiums war Hannes Mikula Universitätsassistent am Institut für Angewandte Synthesechemie der TU Wien; von 2014-2016 hatte er als Erwin Schrödinger-Stipendiat des FWF eine Postdoc-Stelle am Center for Systems Biology, Massachusetts General Hospital & Harvard Medical School (Boston, USA). 2016 kehrte Hannes Mikula an die TU Wien zurück und leitet dort seit 2018 die Forschungsgruppe Molecular Chemistry & Chemical Biology. 2021 erhielt er eine Laufbahnstelle als Assistant Professor; 2022 folgte die Habilitation (venia docendi) für das Fach Chemische Biologie. Seit 2023 ist Hannes Mikula Associate Professor am Institut für Angewandte Synthesechemie.