Gustav Figdor-Preis für Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften 2020

Philipp Korom wird für seine wissenschaftlichen Beiträge zur Herausbildung und Entwicklung von wissenschaftlicher Exzellenz in den Sozialwissenschaften ausgezeichnet.

Akademische Eliten in Soziologie (und Ökonomie): Nicht anders als in Politik oder Wirtschaft werden die Sozialwissenschaften von einer Elite dominiert. Zur Elite zählen all jene, die die angesehensten akademischen Auszeichnungen (u.a. Nobelpreis) erhalten und deren Werk weltweit am einflussreichsten ist. Die nachfolgenden vier Aufsätze werfen unterschiedliche Schlaglichter auf die Elite in den Sozialwissenschaften.

Im Artikel Does scientific eminence endure? Making sense of the most cited economists, psychologists and sociologists in textbooks (Scientometrics, 2018) versucht Philipp Korom anhand einer Analyse von soziologischen, ökonomischen und psychologischen Lehrbüchern die „Verfallszeit“ des Elite-Status in den Wissenschaften zu eruieren. Es zeigt sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen, dass nach rund 40 Jahren das wissenschaftliche Werk von (ehemaligen) Eliten in Vergessenheit gerät.

Im Artikel The political sociologist Seymour M. Lipset: Remembered in political science, neglected in sociology (European Journal of Cultural and Political, 2019)“ geht Philipp Korom als Fallstudie zum amerikanischen Politsoziologen und Demokratieforscher Seymour M. Lipset der Frage nach, warum führende Großdenker ihrer Zeit aus den Lehrbüchern einer Disziplin verschwinden. Die Analyse zeigt, dass das Schwinden von Ansehen nicht nur auf fehlende Aktualität oder Originalität des Werkes zurückzuführen ist, sondern auch auf interdisziplinäre Entwicklungen. Anders als in der Politikwissenschaft hat die Demokratieforschung innerhalb der Soziologie kein Standbein aufbauen können. So ist es zu erklären, dass die Rezeption von Lipset in der Politikwissenschaft ungebrochen anhält, in der Soziologie jedoch weitgehend versiegt ist.

Im Beitrag The prestige elite in sociology: Towards a collective biography of the most cited scholars (The Sociological Quarterly, 2020) unternimmt Philipp Korom erstmals den Versuch, anhand von Zitationen in unterschiedlichen Publikationsformaten (Enzyklopädien, Lehrbüchern, Handbüchern, Fachzeitschriften) die Elite innerhalb der Soziologie der 1970er und 2010er Jahren zu identifizieren. Es zeigt sich unter anderem, dass die anfangs auf Amerika konzentrierte Elite mittlerweile auch in Europa anzutreffen ist, und dass Elitenmitglieder sich in ihrer sozialen Herkunft sehr stark voneinander unterscheiden, wobei Arbeiterkinder keine Ausnahme darstellen.

Im Artikel How do academic elites march through departments? A comparison of the most eminent economists and sociologists´career trajectories (Minerva, 2020) vergleicht Philipp Korom die akademischen Karrieren von Nobelpreisträgern/innen der Ökonomie mit denen, der am meisten zitierten Soziologen/innen. Indes Ökonomen in ihrer Karriere nahezu ausschließlich Aufwärtsbewegungen aufweisen und einen Gutteil ihrer Karrieren an den fünf Spitzeninstituten ihrer Disziplin verbringen, weisen die Karrieren der Spitzensoziologen/innen nur sehr wenig Gemeinsamkeiten auf, u.a. sind auch Karriereübergänge von prestigereichen zu durchschnittlichen Instituten zu beobachten. Diese interdisziplinären Unterschiede in den Karriereverläufen finden ihre Erklärung in der Tatsache, dass innerhalb der Soziologie keine einheitliche Auffassung von akademischer Exzellenz existiert.

 

Der Preisträger

Philipp Korom hat nach den Master- und Diplomstudien der Soziologie (Abschluss 2007, Mag. phil., Universität Graz), der Sozialwissenschaften (Abschluss 2009, MRes, Europäisches Hochschulinstitut Florenz) und Psychologie (Abschluss 2010, Mag. rer. nat., Universität Graz) im Jahr 2011 im Fach Soziologie an der Universität Graz promoviert (Dr. rer. soc.). Seine Habilitation für das Fach Soziologie befindet sich derzeit an der Bergischen Universität Wuppertal in Begutachtung. Philipp Korom war als Universitätsassistent an der Universität Graz (März – September 2013) und als Senior Researcher am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln tätig  (Oktober 2013 – Oktober 2015); anschließend arbeitete er als Post-Doc an der Universität Graz. Seit November 2019 leitet Philipp Korom das FWF-Projekt „Nationale und lokale politische Eliten in Österreich“ (P31967) und forscht als Gastwissenschaftler an der School of Governance/Technische Universität München. Homepage: https://philippkorom.com

Auszeichnungen (Auswahl):
Philipp Koroms Dissertation Die Wirtschaftseliten Österreichs wurde u. a. mit dem Preis der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie (ÖGS) für herausragende Leistungen ausgezeichnet (2013); Theodor Körner-Preis (2012)