Eva Reder wird für ihre Dissertation Pogrome im Schatten polnischer Staatsbildung 1918-1920 und 1945/46: Auslöser, Motive, Praktiken der Gewalt ausgezeichnet.
Ziel der Dissertation ist es, Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Kontinuitäten von Pogromen in Polen in den Zeiträumen 1918-1920 und 1945/46 zu analysieren. Hauptaugenmerk liegt dabei auf den Pogromauslösern, der Rolle der sich jeweils neu herausbildenden Staatlichkeit sowie dem Pogromverlauf. Vor allem in den ersten Jahren der jeweiligen polnischen Staatlichkeiten kam es zu einem gehäuften Auftreten antisemitischer Gewalt: Die jeweilige vorangegangene Kriegssituation, die instabile politische Lage und die Konzentration auf ethnische Unterschiede führten dazu, dass man Juden verstärkt als Kommunisten, Mörder polnischer Kinder und Verräter der polnischen Nation wahrnahm. Insofern wird untersucht, welche Möglichkeiten für Gewalt sich in den konsolidierenden Staatlichkeiten boten und wie die Autoritäten in den Pogromen agierten. Im Fokus steht das Konstrukt jüdischer Aggression, da die Pogrome meist nach vermeintlicher oder tatsächlicher Gewalt von Juden gegen Christen ausbrachen. Dieser Auslöser war in beiden Fällen zentral für die Rechtfertigung der Pogromgewalt. In der Diskussion der Unterschiede und Gemeinsamkeiten soll vor allem performatives Verhalten berücksichtigt werden. Der Darstellung wird damit zugrunde gelegt, was die Täter während der Gewalt gesagt und was sie getan haben. In den Gewaltpraktiken kommen Traditionen der Täter, kulturelle Prägungen, aber auch Vorstellungen über die Religion der Opfer zum Ausdruck. Die Pogrome werden anhand von Militär- und Gerichtsakten sowie Zeugenaussagen rekonstruiert. Die Studie soll dabei helfen, Situationen zu erkennen, in denen Gewalt besonders intensiv auftritt und soll einen Beitrag zur Weiterentwicklung einer Pogromtheorie leisten.
Eva Reder hat das Diplomstudium Geschichte 2006 an der Universität Wien abgeschlossen; die Promotion im Fach Geschichte erfolgte 2017 ebenfalls an der Universität Wien. Während ihres Doktoratsstudiums war Eva Reder Stipendiatin u.a. des Wiener Wiesenthal Instituts für Holocaust-Studien, des Deutschen Historischen Instituts Warschau, der Österreichischen Forschungs-gesellschaft und des Herder-Instituts für historische Ostmitteleuropaforschung in Marburg. Von 2010-2018 hat Eva Reder in der Österreichischen Mediathek im Rahmen wissenschaftlicher Projekte gearbeitet. Ihre Dissertation wird 2019 im Verlag des Herder-Instituts erscheinen.