Katrin Pilz wird in Anerkennung ihrer Forschungen zur Geschichte der Orthopädie im 20. Jahrhundert ausgezeichnet.
Lorenz Böhlers Filme zur Unfallmedizin und Orthopädie. Debatten um Operationstechniken, Therapieformen, Konkurrenz und transnationale Wissensvermittlung, Wien 2018.
Der Artikel befasst sich mit der empirischen Untersuchung von medizinischen Filmen, die für klinische, didaktische und kulturelle Gesundheitsaufklärung produziert und verbreitet wurden. Am Beispiel von Lorenz Böhlers orthopädischen Filmen werden Produktions- und Kommunikationsstrategien für die Formierung neuer klinischer Disziplinen wie der modernen Orthopädie und Unfallmedizin untersucht und Fragen zu Inhalt, Ästhetik und Ausdrucksweise diskutiert. Die Verwendung von medizinischen Bewegtbildern seit Ende des 19. Jahrhunderts zu Lehrzwecken hat zu Debatten über die Auswirkungen der bildbasierten Wissensvermittlung geführt. Der Fokus lag auch auf der Nutzung technisch reproduzierbarer bildgebender Verfahren für die Analyse klinischer Spezialisierungsprozesse und deren Auswirkungen auf die klinische Lehre, volkswirtschaftliche Aspekte und die Kommunikation von Forschungs- und Lehrinhalten. Der Text zeigt, dass mit dem Aufkommen des Lehrfilms im 20. Jahrhundert neue Möglichkeiten entstanden, Forschung und Praxis visuell zu publizieren und zu vermarkten. Gleichzeitig wird aufgezeigt, dass in der Zwischenkriegszeit individuelle Initiativen von österreichischen Orthopäden wie Adolf Lorenz (1854–1946) und Lorenz Böhler (1885–1973) eine bedeutende Rolle in der frühen Nutzung von Filmen für orthopädische Praxis und Forschung spielten, die besonders die Wiener Medizingeschichte beeinflusste, aber danach lange Zeit in Vergessenheit geraten ist. Die Aufarbeitung der Produktion und Zirkulation von Filmen für die orthopädische (-chirurgische) Praxis sowie Forschung hat nicht nur große Bedeutung für die Österreichische Medizingeschichte, sondern ist auch wesentlich für die Wiener Filmgeschichte.
Re-Edited Medical Films in Vienna: Vom „physiologischen Theater“ zum chirurgischen Filmset und „orthopädischen Filmzirkus“, Bremen 2018.
Der Beitrag behandelt historische Quellen zur Verwendung von Film als medizinischem Forschungs- und Kommunikationsmittel im soziohistorischen Kontext in der Orthopädie und Chirurgie. Anhand orthopädischer Filmquellen wird diskutiert, dass Filme, Fotos, Bildstatistiken und andere Medien oft mehr versprachen, als tatsächlich in der medizinischen Forschung umgesetzt wurde. Fortlaufende Verbesserungen in der Produktion, Verbreitung und Kommunikation von Forschungs- und Lehrfilmen führten nicht zu einem einheitlichen Erfolg für die gesamte Fachrichtung Orthopädie und medizinische Forschung insgesamt, sondern prägten eine spezifische Form der visuellen Produktion, Kommunikation und Zirkulation von medizinischem Wissen. Von Bedeutung ist dabei, dass die medizinische Kinematografie die visuellen Wissenschaftspraktiken über das wissenschaftliche Milieu hinaus beeinflusste und populäre Vorstellungen von Gesundheit und Krankheit prägte, dies war auch bei den Filmen der in Wien wirkenden Orthopäden der Fall. Die Popularisierung medizinischen Fachwissens und die zeitgenössischen Debatten darum wurden hier ebenfalls in den Blick genommen.
Katrin Pilz hat das Diplomstudium Geschichte an der Universität Wien abgeschlossen und promoviert mit einem binationalen Dissertationsprojekt zu frühen medizinischen Filmen in Europa (1895–1938) an der Universität Wien und der Université Libre de Bruxelles. Im FWF-geförderten Projekt „Praktiken des Lehr- und Unterrichtsfilms in Österreich (2019–2023, P 32343-G)“, erforschte sie als Key Researcher am Ludwig Boltzmann Institute for Digital History neben der Institutionengeschichte des österreichischen Lehrfilms vor allem medizinische und wissenschaftliche Filme. 2023 hat sie ein Wissenschaftsstipendium der Stadt Wien – Kulturabteilung (MA 7) für das Projekt „Adolf 'Optikus' Nichtenhauser. Eine Wiener Exilgeschichte mit internationaler (Lehr-)Film-, Medizin- und Archivrelevanz“ erhalten, das sie aktuell durchführt.