Edmund und Rosa Hlawka-Preis für Mathematik 2022

Lukas Spiegelhofer wird für seine Arbeiten auf den Gebieten der Ziffernentwicklungen und der Gleichverteilung ausgezeichnet.

In seiner Forschung beschäftigt sich Lukas Spiegelhofer mit Ziffernentwicklungen im weitesten Sinne, einem Teilgebiet der Zahlentheorie. Während die von ihm behandelten Probleme einfach aussehen, und ohne Verwendung schwieriger Mathematik zu formulieren sind, benötigt ihre Beantwortung Methoden aus verschiedensten Gebieten der Mathematik.

Dazu zählen Analysis, Kombinatorik, die Theorie der dynamischen Systeme, die harmonische Analyse, und nicht zuletzt die Theorie der Gleichverteilung, die von Edmund Hlawka in bedeutsamem Maße vorangetrieben wurde.

Die bekannteste Ziffernentwicklung ist das Dezimalsystem, mit Hilfe dessen Zahlen im alltäglichen Gebrauch dargestellt werden. Trotz ihrer Allgegenwärtigkeit birgt diese Zifferndarstellung fundamentale ungelöste Forschungsprobleme. Als schnell zu formulierendes Beispiel betrachten wir die Potenzen von 2 im Dezimalsystem, also die durch fortlaufende Verdoppelung erhaltene Zahlenfolge 1, 2, 4, 8, 16, 32, 64, 128, 256, und so weiter. Man könnte sich fragen: Treten alle zehn Ziffern 0-9 in dieser Folge „gleich häufig“ auf? Oder: Ist die Summe der Ziffern dieser Zahlen gleich oft eine gerade wie eine ungerade Zahl? Diese einfach zu formulierenden Fragen sind zwar naheliegend und ungekünstelt, aber ungelöst und allem Anschein nach sehr schwer zu beantworten.

Dabei hat die Zahl Zehn, die hier als Basis verwendet wird, gar keine besondere Signifikanz, abgesehen davon, dass sie die gebräuchlichste Anzahl von Fingern darstellt, die ein Mensch besitzt. Die Forschungsprobleme, die sich hier ergeben, treten ebenfalls bei allen anderen Basen auf. Nach dem Sparsamkeitsprinzip sind wir also gut beraten, unsere Untersuchungen beim „einfachsten“ Fall der Basis 2, also dem Binärsystem, zu beginnen.

Diese Ziffernentwicklung hat durch die Verbreitung des Computers gewaltigen Aufwind erfahren, sowohl in der Praxis als auch in der grundlagenorientierten Forschung.

Anhand des Beispiels der Kryptographie sieht man die Rolle der Binärentwicklung in der Informatik besonders gut. Dieses Gebiet hat enorme praktische Wichtigkeit, und die dort maßgeblich auftretenden so genannten Booleschen Funktionen besitzen eine nicht zu übersehende Beziehung zur Binärdarstellung.

Das oben angedeutete Forschungsgebiet – die Zifferndarstellung von Potenzen einer festen Zahl – und die Kryptographie stellen zwei Bereiche dar, in denen Lukas Spiegelhofer tätig ist. Zum ersten bewies er eine lange ungelöste Vermutung zur synchronen Darstellung einer Zahl in den Basen 2 und 3, zum zweiten erzielte er wesentliche Fortschritte auf dem Weg zur Beantwortung der Vermutungen von Tu-Deng und Cusick. Weiters hervorzuheben sind seine Arbeiten zum Verteilungsgrad von ziffernbasierten Funktionen, die in hohem Maße von der Theorie der Gleichverteilung Gebrauch machen.

 

Der Preisträger

Lukas Spiegelhofer hat 2011 das Mathematikstudium an der Universität Wien abgeschlossen; das Doktoratsstudium Mathematik absolvierte er in Form einer Cotutelle de thèse an der TU Wien und an der Aix-Marseille Université (Dissertationsbetreuer: Michael Drmota/TU Wien und Joël Rivat/Aix-Marseille Université). Es folgte eine Postdoc-Stelle an der Université de Lorraine, Nancy, danach an der Universität Linz und schließlich an der TU Wien. Von 2020 bis 2022 hatte Lukas Spiegelhofer eine Stelle als Universitätsassistent an der Montanuniversität Leoben. Seit Oktober 2022 hat er dort eine unbefristete Stelle als Senior Scientist.