Matthias Kranner wird für seine Forschungen zur Mikropaläontologie, insbesondere zur Rekonstruktion der marinen Lebensräume und Ökosysteme im Wiener Becken, ausgezeichnet.
Matthias Kranner forscht im Bereich der Mikropaläontologie mit einem Schwerpunkt auf Foraminiferen, fossilen Einzellern mit kalzifizierten Außenschalen. Diese Organismen existieren seit mindestens 540 Millionen Jahren und sind auch heute noch in aquatischen Lebensräumen anzutreffen. Foraminiferen spielen eine zentrale Rolle als Leitfossilien, da sie biostratigraphische Einordnungen ermöglichen und zur Rekonstruktion ökologischer Bedingungen beitragen. Der überwiegende Teil der bekannten Foraminiferenarten lebt entweder direkt am Meeresboden oder wenige Zentimeter tief im lockeren Sediment und reagiert äußerst sensibel auf ökologische Parameter wie Temperatur, Nährstoffverfügbarkeit und Sauerstoffkonzentration. Die Zusammensetzung verschiedener Foraminiferenarten erlaubt Rückschlüsse auf spezifische Sauerstoffbedingungen in der jeweiligen Umgebung.
Im Jahr 1994 entwickelte Dr. Kaiho erstmals Formeln zur Rekonstruktion von Sauer-stoffgehalten am Meeresboden anhand von Foraminiferen. Im Jahr 2023 veröffentlichten Matthias Kranner und Kollegen eine weiterentwickelte Version dieser Formeln. Die dabei erarbeitete Transferfunktion ermöglicht es, den Sauerstoffgehalt am Meeresboden in absoluten Werten (ml/l) zu berechnen. Grundlage hierfür war die Analyse hunderter Bohrkernproben aus dem Miozän (~23 bis 5 Millionen Jahre) des Wiener Beckens. Die neuen Formeln wurden an modernen Proben mit gemessenen absoluten Sauerstoffwerten kalibriert und erreichten dadurch eine Verbesserung der Berechnungsergebnisse um bis zu 38 % im Vergleich zu bisherigen Ansätzen.
Diese Methode ist anwendbar auf die Untersuchung ökologischer Veränderungen der letzten 65 Millionen Jahre. Sie eröffnet zudem die Möglichkeit, marine Sauerstoffminimumzonen effizient, kostengünstig und zeitnah zu überwachen. Darüber hinaus kann sie zur Bewertung der Resilienz und Regenerationsfähigkeit mariner Ökosysteme in Bezug auf Schwankungen des Sauerstoffgehalts beitragen. Solche Analysen tragen zu einem vertieften Verständnis von Umweltveränderungen, einschließlich des Klimawandels, bei. Zudem liefern detaillierte Rekonstruktionen vergangener ökologischer Veränderungen eine Grundlage für präzisere Zukunftsprognosen.
Matthias Kranner promovierte 2021 an der Karl-Franzens-Universität Graz im Fach der Geowissenschaften. Im Rahmen seiner Dissertation (ausgezeichnet mit dem Hans-Höfer-von-Heimhalt-Preis) analysierte er in Zusammenarbeit mit dem Naturhistorischen Museum Wien (NHMW) hunderte Bohrkernproben. Nach seiner Promotion setzte er seine Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Naturhistorischen Museum Wien fort, bevor er im Zuge eines EU-finanzierten Postdoc-Projekts an die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel wechselte. Seit Mitte 2024 ist Matthias Kranner als Regionalgeologe und Landespaläontologe beim Landesamt für Umwelt in Bayern tätig, wo er die (mikro-)paläontologische Forschung weiterführt und seine Expertise in die geowissenschaftliche Arbeit einbringt.