Gustav Figdor-Preis für Sprach und Literaturwissenschaften 2018

Gernot Howanitz wird für seine Dissertation Web texten. Text leben. Leben weben. (Auto-) Biographische Praktiken im literarischen Runet ausgezeichnet.

Die vorliegende Arbeit ist einem besonderen Aspekt (auto-)biographischen Schreibens gewidmet, nämlich der (Selbst-)Inszenierung von Schriftstellerinnen und Schriftstellern im russischsprachigen Teil des Internets (Runet). Damit soll eine Lücke geschlossen werden, denn die (Auto-) Biographie-forschung sieht das Web nach wie vor als nicht eingelöstes Versprechen eines (auto-)biographischen Hypertextes, wobei sie gleichzeitig die neuen kreativen Strategien übersieht, die sich im Laufe der Zeit etabliert haben. Das vielzitierte Web 2.0 mit seinen sozialen Netzwerken und Blogplattformen ist vor allem ein Medium der (Selbst-)Darstellung, die auf einer Vielzahl an (auto-)biographischen Praktiken gründet. Dabei werden im Falle der russischen Schriftstellerinnen und Schriftsteller Bilder aus der russischen Literaturtradition übernommen, auf die kommunikativen und medialen Gegebenheiten des Web angepasst und zum Teil in medialen Experimenten auch neu erschaffen. Gleichzeitig kommt es durch die implizite Aufwertung dialogischer Prozesse zu einer Ermächtigung des Publikums.
Ziel der vorliegenden Untersuchung (auto-)biographischer Praktiken im Web ist, die unter der Oberfläche des Web 2.0 operierenden kreativen Mechanismen zu identifizieren und im Kontext der Literaturtheorie zu verorten. Dabei kommt im Sinne der Digital Humanities eine Verschränkung qualitativer und quantitativer Verfahren zum Einsatz, um ein umfassendes Bild zeichnen zu können. Durch die Fokussierung auf Schriftstellerinnen und Schriftsteller wird eine thematische Rahmung vorgenommen; zudem zeichnet sich das dabei zur Verfügung stehende Material durch Vielfalt, Reflexivität und Innovation aus. Gleichzeitig kann festgestellt werden, wie das Nebeneinander von ‚traditionellen‘ und experimentellen (auto-)biographischen Praktiken im Web auf die russische Literatur rückwirkt.

Der Preisträger

Gernot Howanitz hat 2017 das Doktoratsstudium Slawistik an der Universität Passau abgeschlossen; das Magisterstudium Slawistik absolvierte er in Salzburg, Moskau und Prag. Seit November 2016 ist Gernot Howanitz wissenschaftlicher Mitarbeiter am Passau Centre for eHumanities (PACE) und seit 2012 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Slavische Literaturen und Kulturen der Universität Passau. Von 2013-2016 war Gernot Howanitz DOC-Stipendiat der ÖAW.