Johanna Gassler, Institute of Molecular Biotechnology der ÖAW, wird für ihre Dissertation Chromatin reorganization to totipotency during the mammalian oocyte-to-zygote Transition ausgezeichnet.
Nach der Befruchtung der Eizelle mit der Samenzelle entsteht der Einzell-Embryo, auch Zygote genannt. Die Zygote hat das Potential, alle Zelltypen eines Organismus hervorzubringen und einen neuen Organismus zu formen, sie ist also totipotent. Dieser Übergang zu Beginn des Lebens geht mit einer umfassenden Reorganisation und Reprogrammierung des Chromatins, der Verpackung des Erbguts, einher, die in der Aktivierung des zygotischen Erbguts und dem Erwerb der Totipotenz gipfelt.
In ihrer Dissertation untersuchte Johanna Gassler, wie sich die Chromatinfaltung im Zellkern während des Übergangs von der Eizelle zur Zygote bei Mäusen verändert. Weiters untersuchte sie, welche Faktoren den Erwerb des totipotenten Zustands und die dreidimensionale Struktur des Erbguts in Eizellen und Zygoten bestimmen. Dies gelang mithilfe der entwickelten Einzelkern-Hi-C-Methode (snHi-C) in Zusammenarbeit mit Forschern am MIT. Sie konnten zeigen, dass Eizellen und Zygoten im Vergleich zu anderen Körperzellen eine einzigartige Chromatinstruktur aufweisen. Während Chromatinstrukturen wie Schleifen und topologisch assoziierende Domänen (TADs) in beiden zygotischen Vorkernen zu finden sind, fehlt dem mütterlichen Erbgut eine starke Kompartimentierung, was darauf hindeutet, dass Schleifen und Kompartimente durch unterschiedliche Mechanismen gebildet werden. Weiters konnten sie zeigen, dass sich das zygotische Erbgut in Schleifen und Domänen faltet, die von einem speziellen Protein (Scc1-Cohesin) abhängen. Die Größe dieser Strukturen wird durch einen weiteren Faktor (Wapl) reguliert.
Der Übergang von der Eizelle zum Embryo ist durch einen Wechsel von der mütterlichen zur embryonalen Kontrolle gekennzeichnet. Das zunächst inaktive Erbgut des Embryos wird während der zygotischen Genom-Aktivierung (ZGA) aktiviert und mütterliche Faktoren werden verbraucht und abgebaut. Trotz ihrer Bedeutung sind die wichtigsten Regulatoren der ZGA bei Säugetieren noch weitgehend unbekannt. Gemeinsam mit ihren Kollegen konnte Johanna Gassler den Orphan Nuclear Receptor Nr5a2 als Pionierfaktor identifizieren, der für die ZGA und die weitere Entwicklung des Embryos notwendig ist. Insgesamt konnte sie durch diese Studien wertvolle neue Erkenntnisse über die Chromatinfaltung und die Aktivierung des embryonalen Erbguts beim Übergang von der Eizelle zur Zygote gewinnen.
Johanna Gassler hat 2023 im Fach Molekularbiologie an der Universität Wien im Rahmen des VBC PhD Programm promoviert. Ihr Doktorat absolvierte sie am Institut für Molekulare Biotechnologie (IMBA) in Wien und später am Max-Planck-Institut für Biochemie (MPIB) in Martinsried/München in der Arbeitsgruppe von Kikuë Tachibana. Für ihre Doktorarbeit wurde sie unter anderem mit dem Life Science Research Award der ÖGMBT, dem Angelika Amon Young Scientist Award des Koch Instituts am MIT und der Otto Hahn Medaille der Max-Planck-Gesellschaft ausgezeichnet. Seit 2024 ist sie am Novo Nordisk Foundation Center for Stem Cell Medicine, reNEW in Kopenhagen als Postdoktorandin tätig.