Roland Atefie-Preis 2022

David Novakovits wird für seine Dissertation Wagnis des Scheiterns. Religionspädagogische und -didaktische Untersuchungen zu einem Erfahrungsfeld der Gegenwart ausgezeichnet.

Scheitern ist ein ambivalent schillernder Begriff, der die kulturelle Atmosphäre der Gegenwart maßgeblich mitprägt. Gerade in Auseinandersetzung mit diesem ‚Tabu der Moderne‘ (Richard Sennett) treten in den Erfahrungen des Scheiterns Fragen nach gelingendem und misslingenden Leben in den Vordergrund. Die Dissertation von David Novakovits kann in mehrfacher Hinsicht im religionspädagogischen Diskurs verortet werden: Sie versucht, Erfahrungen des Scheiterns nicht zu individualisieren, sondern zu verstehen, wie die gegenwärtige soziale und kulturelle Atmosphäre unsere Umgangsweisen mit Scheitern beeinflussen. Die Arbeit nimmt die in Prozessen des Scheiterns eingeschriebenen Unrechts- und Unterdrückungserfahrungen und die Aporien einer pathologischen Leistungsgesellschaft wahr und arbeitet in einer solchen Auseinandersetzung mit dem Diskurs des Scheiterns dabei das emanzipatorische Potential für religiöse Bildungsprozesse heraus. Insofern versteht sie sich als Beitrag zu einer kritisch-emanzipatorischen Religionspädagogik

Die Dissertation zeichnet sich durch einen starken interdisziplinären Zugang aus: Soziologische, philosophische, psychoanalytische als auch religionswissenschaftliche Theorien und Analyseinstrumente werden als Bezugspunkte aktiviert, um den Diskurs des Scheiterns in seiner Komplexität für den religionspädagogischen Diskurs zugänglich zu machen.

In dieser Arbeit wird sowohl das theologische als auch das religionspädagogische Potential eines explizit nicht-religiösen Begriffes herausgearbeitet. Damit zeigt sie auf, dass vermeintlich säkularen Erfahrungen von Schüler:innen theologische Tiefenspuren eingeschrieben sind, die religionspädagogisch aktiviert werden können. Die Dissertation versucht, Momente der Negativität, der Unsicherheit und der Offenheit in ihrer Relevanz sowohl für religiöse Bildung selbst als auch für die Gestaltung religiöser Bildungsprozesse durchzudenken. Sie zeigt, dass es angesichts der kulturellen und gesellschaftlichen Strukturen und Herausforderungen der Gegenwart eine wichtige Aufgabe religiöser Bildung ist, Schüler:innen bei der Entwicklung einer Sprachfähigkeit für prekäre Momente menschlichen Lebens zu unterstützen. Zudem verdeutlicht die Arbeit, dass Religion als Gegenstand religiöser Bildungsprozesse selbst immer wieder das eigene Scheitern wagen muss, wenn sie eine neue Verständlichkeit und Lesbarkeit, letztlich eine neue Lebendigkeit und Relevanz in den Lebenskontexten der Schüler:innen erlangen möchte.

 

Der Preisträger

David Novakovits hat das Masterstudium Katholische Religionspädagogik an der Universität Wien 2013 abgeschlossen und 2016 das Diplomstudium Katholische Fachtheologie. Daran anschließend absolvierte er den Lehrgang Philosophieren und Theologisieren mit Kindern und Jugendlichen an der Katholischen Privaten Hochschule (KHP) Wien/Krems. David Novakovits promovierte 2020 im Fach Katholische Theologie an der Universität Wien. Während des Doktoratsstudiums unterrichtete er als AHS-Lehrer das Fach Katholische Religion und war Universitätsassistent (Praedoc) am Institut für Praktische Theologie/Religionspädagogik und Katechetik der Katholisch-Theologischen Fakultät der Wiener Universität; dort arbeitet er seit Jänner 2022 Universitätsassistent (Postdoc).