Roland Atefie-Preis 2018

Michaela Quast-Neulinger wird für ihre Dissertation Zwischen Dolorismus und Perfektionismus. Konturen einer „Politischen Theologie der Verwundbarkeit“ im Ausgang von Talal Asad ausgezeichnet.

Welchen Beitrag können Religionen in einer von zunehmender Polarisierung und Radikalisierung geprägten Zeit zum Gemeinwohl als Kernprinzip politischen Handelns leisten? Dieser Frage geht Michaela Quast-Neulinger in ihrer Dissertation „Zwischen Dolorismus und Perfektionismus. Konturen einer ‚Politischen Theologie der Verwundbarkeit‘ im Ausgang von Talal Asad“ nach. Die Auseinandersetzung mit dem Religionsanthropologen Asad zeigt, wie das säkular-liberale Ideal eines radikal autonomen, völlig leidfreien, perfekten Subjekts auf ein Subjekt trifft, das sich als in Beziehung versteht, aber nun als verwundbar, irrational, nicht autonom verurteilt wird. Dies gilt insbesondere für religiöse Anthropologien. Die Verdrängung von und der Kampf gegen Verwundbarkeit als Aspekt der conditio humana führen daher in den Ausschluss von Religionen und Glaubenden, die als abhängig machend, irrational, dem Schmerz verfallen beurteilt werden. Michaela Quast-Neulinger arbeitet mit anthropologischen, politischen und psychologischen Modellen heraus, wie diese Mechanismen letztlich in totalitäre Denk- und Handlungsmuster münden. Hier braucht es Alternativen, die Autonomie mit Beziehung und der Anerkennung von Verwiesenheit in Verbindung bringen können und so eine Grundlage bieten für Solidarität und Gemeinschaft. Die entwickelten Konturen einer „Politischen Theologie der Verwundbarkeit“ zielen auf die Förderung vulnerabilitätssensibler Haltungen, um so Empathie und in weiterer Folge Solidarität und Gemeinschaft zu stiften, insbesondere in religiös pluralen Gesellschaften. Michaela Neulinger plädiert daher für Religionen und Theologien, die Zeugnis ablegen für die Verwundbarkeit des Menschen und aus diesem heraus ins Politische hineinwirken, die der Totalität widersprechen und zu solidarischem Handeln drängen. Heute mehr denn je.

Die Preisträgerin

Michaela Quast-Neulinger absolvierte von 2005-2011 das Diplomstudium Katholische Fachtheologie an den Universitäten Wien und Salzburg (mit Ergänzung Philosophie und Politikwissenschaft) sowie in Jerusalem (Dormition Abbey), anschließend folgte das Masterstudium Islamic Studies an der University of Birmingham. 2017 schloss sie das Doktoratsstudium Theologie an der Universität Innsbruck ab. Seit Oktober 2013 ist Michaela Quast-Neulinger Universitätsassistentin (seit 2017 Postdoc) am Institut für Systematische Theologie, Katholisch-Theologische Fakultät, der Universität Innsbruck.