Roland Atefie-Preis 2024

Elisabeth Widmer wird für ihre Dissertation Left-Kantianism in the Marburg School ausgezeichnet.

Elisabeth Widmer forscht an der Schnittstelle von politischer Philosophie und Philosophiegeschichte. Sie beschäftigt sich intensiv mit vergessenen neukantianischen Ansätzen zur Verteidigung sozialdemokratischer Staatsmodelle. Dabei rückt sie vor allem vor- und post-marxistische Denker:innen in den Fokus, die die kantische praktische Philosophie durch die Linse der Marxschen Kritik neu interpretierten. Ihr interdisziplinärer Ansatz verbindet historische Präzision mit systematischer Analyse, um die Aktualität dieser Denkansätze sichtbar zu machen.

Ein zentraler Aspekt ihrer Forschung ist die Rekonstruktion des deutsch-österreichischen Diskurses im langen 19. Jahrhundert, der überraschend innovative Wege zur Entwicklung normativer Theorien der Sozialdemokratie eröffnet. Philosophiehistorisch hebt Elisabeth Widmer die Bedeutung von Ansätzen hervor, die aufgrund von Vorurteilen oder methodologischer Missverständnisse in Vergessenheit geraten sind, obwohl sie originelle Beiträge zur praktischen Philosophie leisten. Sie macht deutlich, dass die sorgfältige Auseinandersetzung mit diesen Ideen nicht nur das Verständnis der Geschichte der Philosophie vertieft, sondern auch neue Impulse für gegenwärtige normative Debatten liefert.

Neben ihrer Arbeit zur Philosophiegeschichte engagiert sich Elisabeth Widmer für die Weiterentwicklung der politischen Philosophie, insbesondere im Hinblick auf Fragen sozialer Gerechtigkeit und die ideologiekritische Reflexion normativer Theorien. Damit leistet sie einen wesentlichen Beitrag dazu, historische Denktraditionen mit aktuellen Herausforderungen zu verknüpfen und eine kantisch-kommunitaristische Alternative zu liberalen und republikanischen Traditionen zu entwickeln, die Antworten auf drängende politische Fragen unserer Zeit liefern.

Die Preisträgerin

Elisabeth Widmer studierte Philosophie, Psychologie und Germanistik. Sie promovierte 2022 in Philosophie an der Universität Wien. Nach ihrer Promotion arbeitete sie als Postdoktorandin an der University of Oslo in Norwegen im Projekt „The Kantian Foundations of Democracy“. Darüber hinaus ist sie Empfängerin eines ÖAW-Stipendiums und eines NRW-Mobility Fellowships, das sie derzeit dafür nutzt, an Instituten in Großbritannien (LSE) und Frankfurt am Main (Normative Orders) zu forschen. 2025 beginnt sie ihr Erwin Schrödinger Postdoctoral Fellowship an der London School of Economics, wo sie sich hauptsächlich auf die Rehabilitierung austromarxistischer Strömungen konzentrieren wird.