Erwin Schrödinger-Preis 2014

Denise P. Barlow wird in Anerkennung ihrer hervorragenden Leistungen auf dem Gebiet der Molekularbiologie, insbesondere im Bereich der Epigenetik und der genomischen Prägungen ausgezeichnet.

Denise P. Barlow gilt als Pionierin und führende Wissenschaftlerin im Bereich der genetischen Prägung (Englisch: genetic imprinting). Säugetiere erben je einen vollständigen Chromosomensatz von Vater und Mutter. Allerdings kann jeder Elternteil auch eine Markierung, oder „Prägung“ auf einzelnen Genen hinterlassen, die bestimmen, dass dieses Gen gezielt auf einem der elterlichen Chromosomen aktiv ist. Obwohl nach wie vor unklar ist, warum diese „geprägten Gene“ nur bei Säugetieren und Blütenpflanzen vorkommen - beim Menschen sind es rund 200 der insgesamt 23.000 - liefern sie wertvolle Aufschlüsse darüber, wie Gene durch epigenetische Mechanismen ein- und ausgeschaltet werden können.

Denise P. Barlow hat wesentlich zur Entwicklung des Forschungsfeldes beigetragen. Ihre Arbeiten wurden in führenden Wissenschaftsmagazinen, wie Nature, Cell und Science veröffentlicht. In einer bahnbrechenden Arbeit ist es der Britin, die vorwiegend in Österreich forscht, 1991 erstmals gelungen, ein geprägtes Gen, den Wachstumsfaktor IGF2R (Insulin-like Growth Factor Type 2 Receptor) bei der Maus zu identifizieren. Denise P. Barlow konnte zeigen, dass das geprägte Gen die Funktion eines embryonalen Wachstumshemmers ausübt, und hat damit die Grundlage für Erklärungsmodelle gelegt, warum geprägte Gene in der Tierwelt nur bei Säugetieren zu finden sind. Die weitere Entdeckung der epigenetischen Markierung, die einem Gen eine elternspezifische Prägung gibt, hat es der Wissenschaftlerin später ermöglicht, das Kontrollelement der Prägung ICE (wissenschaftliche Abkürzung für „Imprint Control Element“) zu identifizieren. Die Untersuchung des ICE wiederum führte 2002 zur bahnbrechenden Entdeckung, dass eine sehr lange, nicht kodierende RNA (long coding RNA, kurz lncRNA) für das Stilllegen geprägter Gene verantwortlich zeichnet.

Unlängst hat ihre Forschungsgruppe am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften einen neuartigen Mechanismus der Gen-Abschaltung (Englisch: Gene Silencing) in Säugetieren identifiziert, indem sie zeigen konnten, dass dieses lncRNA Molekül – völlig unerwartet – Gene lediglich durch seine Herstellung (Transkription) stilllegt. Die aktuelle Forschungsarbeit von Denise P. Barlow widmet sich nun der Frage, ob dieser Mechanismus generell zu finden ist und auch bei Entwicklungs- und Krankheitsprozessen eine Rolle spielt.

Denise P. Barlow ist ein internationales Vorbild für junge Wissenschaftlerinnen, die gerade in Europa in führenden Positionen stark unterrepräsentiert sind, und hat zur Ausbildung zahlreicher österreichischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, u.a. 14 DoktorandInnen und 13 Diplom- und MasterstudentInnen beigetragen. Ihre Forschungsarbeiten hat sie vor allem in Österreich, zu Beginn am IMP und aktuell am CeMM durchgeführt. Sie wurde dabei von nationalen und internationalen Förderorganisationen unterstützt, u.a. vom Österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, Genomforschung in Österreich GEN-AU und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. In Anerkennung ihrer Leistungen wurde Denise Barlow im Jahr 1995 zum EMBO Mitglied gewählt und erhielt 2004 eine Ehrenprofessur für Genetik an der Universität Wien. Für ihr Lebenswerk erhielt sie im Juli 2014 die „Austrian Chapter Achievement Award-Medaille“ des EMBL Alumni Association e.V.

Die Preisträgerin

Nach einer Ausbildung als Krankenschwester studierte Denise Barlow Zoologie und Biochemie an der Universitäten Reading, Warwick und Oxford. Sie forschte mehrere Jahre an den I.C.R.F. Mill Hill Laboratories, London und war als Post-doc Fellow am European Molecular Biology Laboratory (EMBL) Heidelberg. von 1988 bis 1995 war sie Gruppenleiterin an Institute of Molecular Pathology (IMP) in Wien, danach übernahm sie eine Gruppenleitung am Netherland's Cancer Institute in Amsterdam. Von 2003 bis zu ihrer Pensionierung im Jahr 2015 war Denise Barlow Principal Investigator am CeMM - Center for Molecular Medicine der ÖAW.
Denise P. Barlow ist am 21. Oktober 2017 verstorben.