Jürgen Knoblich wird in Anerkennung seiner herausragenden Leistungen auf dem Gebiet der Stammzellbiologie ausgezeichnet.
Stammzellen sind Körperzellen, die nicht nur identische Kopien von sich selbst herstellen sondern sich auch in verschiedene Zelltypen oder Gewebe ausdifferenzieren können. Diese einzigartige Fähigkeit macht Stammzellen zu einem perpetuum mobile für den Ersatz von beschädigten oder abgestorbenen Zellen und damit sehr interessant für die medizinische Forschung.
Die Arbeiten von Jürgen Knoblich haben den zellulären Mechanismus erforscht, der für diese besondere Eigenschaft von Stammzellen verantwortlich ist. Als Modellsystem wurde dafür die Fruchtfliege Drosophila melanogaster verwendet. Fruchtfliegen sind das am besten verstandene mehrzellige Tier und haben zur Entdeckung zahlreicher fundamentaler biologischer Mechanismen beigetragen. Im Gehirn dieser Tiere finden sich neuronale Stammzellen, die Neuroblasten genannt werden und alle Nervenzellen erzeugen. Dazu teilen sich diese Stammzellen wiederholt in einen Neuroblasten und eine weitere Tochterzelle, die in einer terminalen Teilung zwei Nervenzellen erzeugt. Während jeder dieser Teilungen werden drei Proteine, genannt Numb, Prospero und Brat, in eine der beiden Tochterzellen transportiert, wo sie die Spezialisierung zu Nervenzellen auslösen.
Die Arbeiten von Jürgen Knoblich und seiner Gruppe haben gezeigt, dass ein mehrstufiger Prozess für diese asymmetrische Zellteilung verantwortlich ist. Zunächst wird die Zelle durch das Verlagern der sogenannten Par-Proteine Par6, Par3 und aPKC an eine Seite der Zelle polarisiert. Während der Teilung binden diese Par-Proteine drei weitere Faktoren, genannt Insctueable, Pins und Mud in ihren Komplex ein, die letztendlich die mitotische Spindel ausrichten und die Ebene der Zellteilung festlegen. Gleichzeitig werden Numb, Prospero und Brat durch die Par-Proteine von der Zellmembran entfernt, so dass sie sich am entgegengesetzten Ende der Zelle konzentrieren und in die entgegengesetzte Tochterzelle segregiert werden.
In den letzten Jahren hat sich das Interesse von Jürgen Knoblich und seinen MitarbeiterInnen von Fliegen auf höhere Organismen verlagert. Die Gruppe konnte zeigen, dass ganz ähnliche Mechanismen auch Stammzellen im Mausgehirn regulieren. Diese Erkenntnisse haben auch eine erhebliche Relevanz für die medizinische Forschung, insbesondere für die Tumorforschung, da es bei Defekten in der asymmetrischen Zellteilung zur Tumorbildung durch überproliferierende Stammzellen kommen kann.
Jürgen Knoblich studierte Biochemie und Molekularbiologie an der Universität Tübingen und am University College London. 1994 promovierte er am Friedrich Miescher Laboratorium der Max Planck-Gesellschaft in Tübingen. Nach einem Post-doc-Aufenthalt an der University of California at San Francisco wechselte er 1997 als Gruppenleiter an das Institute of Molecular Pathology (IMP). Seit 2004 ist er Senior Scientist und seit 2005 stv. wissenschaftlicher Direktor am Institute of Molecular Biotechnology (IMBA) der ÖAW.