Sebastian Mai wird für seine Dissertation: “Excited-state dynamics of nucleobase analogues” ausgezeichnet.
Wenn UV-Licht auf unsere Haut fällt, dann besteht eine gewisse Chance, dass dieses Licht vom Erbgut in der DNA, genauer gesagt von den sogenannten Nukleobasen, absorbiert wird. Diese Absorption kann einer Nukleobase eine relativ große Menge an Energie zuführen, was starke Schwingungen des Moleküls verursacht. Prinzipiell könnten solche Schwingungen zu Schäden an der betroffenen Nukleobase und somit der DNA führen, was im schlimmsten Fall Hautkrebs verursachen kann. Die Natur hat den Nukleobasen aber die Eigenschaft gegeben, durch ganz bestimmte Schwingungsbewegungen (sogenannte Relaxationspfade) die Überschussenergie in extrem kurzer Zeit (einige billionstel Sekunden) in Wärmeenergie umzuwandeln und somit eine DNA-Schädigung zu verhindern.
Neben den üblichen Nukleobasen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin kann die DNA in bestimmten Fällen auch noch andere, verwandte Moleküle enthalten. Diese werden Nukleobasen-Analoga genannt und unterscheiden sich häufig nur durch ein oder zwei Atome von den normalen Nukleobasen. Diese Analoga kommen zum Beispiel als Medikamente bei bestimmten Viren-, Autoimmun- oder Krebserkrankungen zum Einsatz, und verdrängen einen kleinen Anteil der normalen Nukleobasen aus der DNA. Das ist normalerweise kein allzu großes Problem. Allerdings fehlen den Nukleobasen-Analoga die oben genannten, ultraschnellen Relaxationspfade, und das macht sie zu "Trojanischen Pferden" für UV-Licht. In der Folge leiden mit solchen Medikamenten behandelte Patienten häufig an Lichtempfindlichkeit und einer erhöhten Hautkrebsrate.
Das Ziel der Dissertation von Sebastian Mai war es, die Relaxationspfade von Nukleobasen und ihren Analoga zu untersuchen, um besser zu verstehen, warum manche dieser Moleküle viel resistenter gegen UV-Licht sind als andere. Da diese Prozesse so extrem schnell sind, war ein Ziel der Arbeit, das Computerprogramm "SHARC" der Arbeitsgruppe González der Universität Wien weiter zu entwickeln, welches Molekülbewegungen nach UV-Absorption simulieren kann. Mit diesem Programm kann man dann molekulare "Filme" berechnen, und in Echtzeit die Relaxationsprozesse verfolgen und untersuchen.
Mithilfe von SHARC wurden dann am Wiener Supercomputer (VSC) Simulationen für die Nukleobasen Cytosin und Thymin sowie für eine Reihe von unterschiedlichen Nukleobasen-Analoga durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten, dass schon kleine Modifikationen der Nukleobasen die natürlichen Relaxationspfade ausschalten können. Beispielsweise braucht man nur ein Sauerstoffatom einer Nukleobase durch Schwefel zu ersetzen, um eine stark UV-anfällige Thiobase zu erhalten. Diese Erkenntnisse können in Zukunft helfen, neue Nukleobasen-Analoga zu entwickeln, welche als Medikamente weniger Nebenwirkungen haben. Das SHARC-Programm wird darüber hinaus mittlerweile international von mehreren Gruppen für andere physikalische und chemische Untersuchungen verwendet.
Sebastian Mai hat das Diplomstudium im Fach Chemie an der Universität Jena abgeschlossen (2012). Im Oktober 2016 schloss er das Doktoratsstudium Chemie an der Universität Wien ab. Sowohl in Jena als auch in Wien leitete Sebastian Mai chemische Praktika und Masterkurse. Sebastian Mai hat gemeinsam mit Martin Richter, Matthias Ruckenbauer, Markus Oppel, Philipp Marquetand und Leticia González das Sharc Programmpaket für ab initio nichtadiabatische Moleküldynamik mit beliebigen Kopplungen entwickelt; http://sharc-md.org (verfügbar seit Oktober 2014). Seit Dezember 2016 ist Sebastian Mai Postdoktorand am Institut für Theoretische Chemie der Universität Wien.