Matthäus Siebenhofer wird für seine Dissertation Investigating Point Defect Concentrations and their Impact on Surface Exchange Reaction Rates of Mixed Ionic and Electronic Conductors ausgezeichnet.
Die Sauerstoffaustauschreaktion an der Oberfläche von gemischt ionisch und elektronisch leitenden Oxiden ist eine essenzielle Reaktion für zahlreiche Anwendungen in der Energietechnik, z.B. Festoxidbrennstoffzellen. Ein detailliertes Verständnis dieser Reaktion ermöglicht die Optimierung kritischer Bauteile sowie die Entwicklung neuartiger Technologien. Die zentrale Gemeinsamkeit solcher Oxide ist ihre Fähigkeit, die Konzentration von Fehlstellen im Sauerstoffgitter zu verändern. Die Sauerstoffaustauschkinetik ist deshalb eng mit der Defektchemie der Materialien verbunden und eine mechanistische Diskussion der Sauerstoffaustauschreaktion erfordert ein umfassendes Verständnis dieser Defektchemie. In dieser Arbeit werden neuartige Werkzeuge und Ansätze vorgestellt, mit denen die Verbindung von Sauerstoffaustauschkinetik und Defektchemie erforscht werden kann.
In-Situ Impedanzspektroskopie während gepulster Laserdeposition (i-PLD) wurde als neuartige experimentelle Methode etabliert, mit der elektrochemische Eigenschaften solcher Oxide in ihrem ursprünglichen Zustand beobachtet werden können. Dadurch war es einerseits möglich, die echten katalytischen Eigenschaften von vielversprechenden Kathodenmaterialien für Festoxidbrennstoffzellen zu messen, andererseits konnten bisher unbekannte Degradationsphänomene beschrieben werden. In Kombination mit defektchemischen Modellrechnungen gelang es erstmals, eine mechanistische Analyse der Sauerstoffaustauschreaktion auf ursprünglichen Kathodenoberflächen durchzuführen.
Um die experimentellen Möglichkeiten von i-PLD auszuloten, wurde ein Messaufbau entwickelt, mit dem der Einfluss von UV-Strahlung auf den Sauerstoffaustausch und die Sauerstoffstöchiometrie von undotierten SrTiO3 (STO)-Einkristallen untersucht wurde. Dabei konnte bestätigt werden, dass der Sauerstoffeinbau auf der Oberfläche von STO unter UV-Beleuchtung beschleunigt wird und sich die oberflächennahe Defektchemie ändert.
In STO hängt diese Defektchemie untrennbar mit Kationenfehlstellen oder Fremdatomen zusammen, die wegen ihrer geringen Konzentration nur schwer experimentell zugänglich sind. Um dieses Problem zu lösen, wurde ein Modell entwickelt, mit dem man nur durch elektrochemische Messungen die Akzeptorkonzentration in undotierten STO-Einkristallen abschätzen kann. Gemeinsam mit Positron Annihilation Lifetime Spectroscopy war es dadurch erstmals möglich, die Akzeptorkonzentration im untersuchten Material mit 6 ppm Ti-Leerstellen zu quantifizieren.
Matthäus Siebenhofer hat das Masterstudium Physical Energy and Measurement Engineering 2018 an der TU Wien abgeschlossen. Im Jänner 2022 promovierte er an der TU Wien im Fach Technische Chemie. Darüber hinaus studiert Matthäus Siebenhofer seit 2019 das Lehramt in den Fächern Mathematik und Physik an der Universität Wien. Seit Juni 2021 arbeitet Matthäus Siebenhofer als Senior Researcher am CEST Kompetenzzentrum für elektrochemische Oberflächentechnologie GmbH in Wiener Neustadt und am Institut für Chemische Technologien und Analytik der TU Wien in der Forschungsgruppe von Prof. Jürgen Fleig. Neben dem Karl Schlögl-Preis wurde Matthäus Siebenhofer 2022 außerdem mit dem Förderpreis der Fachgruppe Elektrochemie der Gesellschaft Deutscher Chemiker ausgezeichnet.