Wilhelm Hartl-Preis 2014

Georg P. Braulik, OSB, wird in Anerkennung seiner hervorragenden Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Alttestamentlichen Bibelwissenschaft ausgezeichnet.

Schwerpunkte der wissenschaftlichen Forschung und Lehre von Georg Braulik bilden die Kommentierung des alttestamentlichen Buches Deuteronomium, ferner die Auslegung des Psalmenbuchs und im Zusammenhang damit die Verbindung von Altem Testament und christlicher Liturgie.
Die folgenden Bemerkungen beschränken sich auf das Deuteronomium:

Dieses zum Pentateuch, dem „Gesetz Moses“, gehörende sogenannte „fünfte Buch Moses“ nimmt im Alten Testament eine zentrale Position ein. In ihm hat die Reform einer „Achsenzeit“ der Religions- und Gesellschaftgeschichte Israels ihren Niederschlag gefunden. Sie erstreckt sich auf zwei Perioden: Zunächst auf die Regierungszeit König Joschijas von Juda in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhundert v. Chr. mit einer vorwiegend kultisch und politisch ausgerichteten „Restaurationsbewegung“ und dann auf das babylonische Exil, das mehrere Jahrzehnte später beginnt und von einer „Umkehrbewegung“ geprägt wird. Beide Bewegungen versuchten, Israel zu seiner ursprünglichen Identität zurückzulenken und griffen dazu altüberliefertes Rechtsgut aber auch neuassyrische Vertragstexte auf. Sie haben ihre maßgeblichen theologischen Deutungen und rechtlichen Kodifizierungen im Deuteronomium als ihrem wichtigsten Basisdokument niedergelegt und seinen Textbestand bis ins 5. vorchristliche Jahrhundert immer wieder aktualisierend fortgeschrieben. Das Deuteronomium entwickelt das Gottesverhältnis Israels in Form einer Bundestheologie, die in subversiver Verwendung der Nachfolgeverträge Asarhaddons (672 v. Chr.) den Treueeid vom assyrischen Großkönig auf den Gott Israels überträgt. Zu ihm gehören jetzt eine Fassung des Dekalogs und das Bekenntnis des Monotheismus. Es institutionalisiert eine im Alten Orient einzigartige kulturelle Mnemotechnik und macht Israel zu einer Lerngemeinschaft des Glaubens. In ihm findet sich auch die älteste biblische Festtheorie. Nur dieses Buch der Bibel entwirft eine Gesellschaft, in der es keine Armen mehr zu geben braucht.

Insbesondere aber spricht das Deuteronomium sachlich umfassend und mit einer gewissen Systematik vom Lieben Gottes und Israels und kann deshalb „Theologie der Liebe“ genannt werden. Das Deuteronomium bildet die Theorie für die gesellschaftliche Innenseite einer „Zivilisation der Liebe“. Seine Rechts- und Sozialordnung war es, die Israel erst zur Gesellschaft Jahwes, zum „Volk Gottes“, machte. Als solche diente sie später der Jerusalemer Urgemeinde als Vorbild.

Der Preisträger

Georg Braulik trat 1959 in die "Benediktinerabtei zu den Schotten" in Wien ein und wurde 1965 zum Priester geweiht. Er studierte Katholische Theologie an der Universität Wien und am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom. 1975 wurde er an der Universität Wien habilitiert. Dort war er von 1976 bis 1989 als ao. Universitätsprofessor und Leiter der neu errichteten Abteilung für Biblische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät und 1989 bis 2004 als o. Universitätsprofessor und Vorstand des Instituts für Alttestamentliche Biblewissenschaft tätig. Seit 1999 ist Georg P. Braulik korrespondierendes Mitglied der ÖAW.