Wilhelm Hartel-Preis 2022

Jörg Garms wird für seine Forschungen auf dem Gebiet der europäischen Kunstgeschichte, insbesondere zur italienischen und französischen Architekturgeschichte des 18. Jahrhunderts, ausgezeichnet.

Jörg Garms ist ein international hoch angesehener Kunsthistoriker, der im Lauf seiner wissenschaftlichen Tätigkeit empfindliche Lücken des Faches schließen konnte. Seine Bibliographie zeugt von zeitlich wie örtlich weitgespannten Interessen: vom Mittelalter bis ins 19. und 20. Jahrhundert; von Österreich über Italien, Frankreich bis Spanien und Portugal. Den basso continuo seiner wissenschaftlichen Tätigkeit bildet sein mehr als dreißigjähriger Aufenthalt am Österreichischen Historischen Institut in Rom, wo er von 1968 bis 2001 als der Vertreter der Kunstgeschichte eine Reihe von Forschungsunternehmen betreut hat. Jörg Garms hat in Wien und in Paris bei André Chastel Kunstgeschichte studiert. Seiner 1962 bei K. M. Swoboda abgeschlossen Dissertation über den Architekten Germain Boffrand (1667-1754) folgten eine Reihe von Aufsätzen in internationalen, vor allem französischen Fachzeitschriften.

Nach seiner Promotion im Jahr 1962 war Garms als Stipendiat in Rom an dem Institutsunternehmen „Quellen aus dem Archiv Doria Pamphilj zur Kunsttätigkeit in Rom unter Papst Innozenz X.“ beteiligt, das er 1972 mit einer gewichtigen Publikation zum Abschluss bringen konnte. Aus dem Thema seiner Habilitation „Studien zu Luigi Vanvitelli (1700-1773)“ erwuchs sein Interesse für die spanische Architektur. Francesco Sabbatini (1721 – 1797), einer der wichtigsten Architekten Spaniens in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, dem Garms eine Reihe von Arbeiten widmete, war in seinen römischen Anfängen Schüler und Weggefährte Vanvitellis.

Die Vielseitigkeit der Interessen von Jörg Garms zeigt sich in dem von ihm am Österreichischen Institut in Rom angeregten Forschungsprojekt zu den mittelalterlichen Grabmälern in Rom und Latium. Das Resultat, zwei gewichtige Corpus-Bände (1981 und 1994), die unter seiner Federführung gemeinsam mit Stipendiaten erarbeitet wurden, sind heute unverzichtbare Standardwerke in der Erforschung der mittelalterlichen Grabmalskunst.

Seit seiner Habilitation hat Garms durch Vorlesungen, Seminare und Exkursionen zur Bereicherung und thematischen Abrundung des Lehrbetriebes am Institut für Kunstgeschichte beigetragen.  Nicht nur Themen der italienischen Architektur, sondern gleichermaßen der französischen und auch der Spaniens und Portugals, sowie zu Fragen der Urbanistik im Zeitalter der Aufklärung standen auf seinem Vorlesungsprogramm.

Die weitgespannten Forschungsgebiete von Jörg Garms sprechen von einer unvoreingenommenen Neugierde, auch über die Architekturgeschichte hinaus. Der Katalog zur Ausstellung „Österreichische Künstler in Rom vom Barock bis zur Secession“ (1971/72) und die beiden umfangreichen Bände der „Vedute di Roma“ (1995) erweisen seine Kompetenz auf den Gebieten der Malerei und Graphik (darunter zahlreiche Aufsätze über Piranesi). Für die „Vedute di Roma“ wurde er mit dem Premio Borghese ausgezeichnet und vom Istituto Nazionale di Studi Romani und der Accademia Nazionale di San Luca in die Reihen ihrer Mitglieder kooptiert.

In  den in sechs Tranchen erschienenen „Materialien zur Kunsttätigkeit der gegenreformatorischen Orden in Österreich und anderen Ländern der Habsburger Monarchie bis 1800“ ( RHM 1994  bis 1999), erweist sich Jörg Garms als idealer „Verbindungsoffizier“  zwischen Geschichte und Kunstgeschichte.

Diese Vielseitigkeit hat das Spektrum des Österreichischen Kunstgeschichtsbetriebes in Lehre und Forschung auf willkommene Weise bereichert. Bis heute ist Jörg Garms als passionierter Forscher ein begehrter Gast auf internationalen Kongressen und ein wegen seiner Gründlichkeit geschätzter Rezensent in zahlreichen Fachzeitschriften.

Der Preisträger

Jörg (Georg-Michael) Garms schloss das Studium der Kunstgeschichte an der Universität Wien 1962 ab. Anschließend war er für zwei Jahre Stipendiat am Österreichischen Kulturinstitut in Rom, Abt. für Historische Studien. Es folgte eine Assistenzprofessur für Kunstgeschichte an der Université de Montréal, Kanada (1964-1968). Von 1968-2001 war Jörg Garms wissenschaftlicher Beamter am Österreichischen Kulturinstitut bzw. Österreichischen Historischen Institut in Rom. Er habilitierte sich 1975 im Fach Kunstgeschichte an der Universität Wien und wirkte anschließend von Rom aus als Privatdozent am Wiener Institut für Kunstgeschichte. 1976/77 vertrat er eine Professur an der Universität Straßburg. 1988 wurde Jörg Garms der Berufstitel eines a.o. Universitätsprofessor verliehen; bis 2016 lehrte er am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien. 2012 wurde Jörg Garms mit dem Goldenen Doktordiplom der Universität Wien ausgezeichnet.