Wilhelm Hartl-Preis 2011

Günter Stemberger wird in Anerkennung seiner hervorragenden Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Judaistik mit besonderer Berücksichtigung des antiken Judentums ausgezeichnet.

Das Fach Judaistik beschäftigt sich mit der Geschichte, Literatur und Religion des Judentums von der biblischen Zeit bis zur Gegenwart. In seinen Forschungen widmet sich der Preisträger vor allem der sogenannten rabbinischen Zeit, die von der Zerstörung Jerusalems und des Tempels 70 n.Chr. im Aufstand gegen Rom bis etwa zum 11. Jahrhundert reicht. Geschichtlich im Zentrum stehen der Aufstieg der rabbinischen Bewegung in Palästina und Babylonien (Irak) in vorislamischer Zeit, die wechselvolle Beziehung zum gleichzeitig entstehenden Christentum und die Ausbreitung der jüdischen Diaspora in Kleinasien, Europa und Nordafrika. Archäologische Funde (v.a. Synagogen und Inschriften), lateinische und griechische Historiker und die christliche Literatur der Zeit sind dafür ebenso wichtige Quellen wie die umfangreiche rabbinische Literatur: Die beiden Talmude und die Bibelkommentare der Rabbinen (Midraschim) sind für die geistige Entwicklung des Judentums in dieser bis heute grundlegenden Zeit die fast ausschließliche Quelle.

Besonderes Interesse gilt den Epochengrenzen, der noch immer in vielen Punkten ungeklärten Frage nach Kontinuität oder radikalem Neuanfang gegenüber der Zeit vor 70 n.Chr., als das Judentum noch eine Tempelreligion war, und der Frage, wie aus dem rabbinischen Judentum der Spätantike das kulturell so unterschiedliche Judentum des europäischen Mittelalters hervorgehen konnte.

Der Preisträger

Günter Stemberger, geb. 1940, studierte Theologie und Judaistik in Innsbruck, Colchester, Lyon und Rom; 1974 wurde er für den Fachbereich Judaistik mit Spezialgebiet Judentum in der Antike habilitiert. Von 1977 bis 2009 war er als Universitätsprofessor für Antikes Judentum am Institut für Judaistik der Universität Wien tätig. 2010 und 2011 unterrichtete er an der Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg.
1995 wurde er zum korrespondierenden Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gewählt, 1996 zum Corresponding Fellow of the Rennert Centre for Israel Studies der Bar Ilan University in Ramat Gan, Israel; 2005 erhielt der das Ehrendoktorat der Theologischen Fakultät der Universität Göttingen.