Fabian Clemens Spendel wird für seine Dissertation Disponibilität der Geschäftsführer- und Vorstandshaftung ausgezeichnet.
Die ausgezeichnete Arbeit widmet sich der umstrittenen Frage, ob und inwieweit Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) und Aktiengesellschaften (AG) die gesetzliche Haftung ihrer Leitungsorganmitglieder (Geschäftsführer bzw Vorstandsmitglieder) rechtsgeschäftlich beschränken können. Derartige Überlegungen könnten beim unbefangenen Leser ein Unrechtsempfinden erwecken. Allerdings ist die gesetzliche Organhaftung entgegen der öffentlichen Wahrnehmung sehr streng und potentiell sogar existenzbedrohend. Verantwortlich dafür sind immense Schadensbeträge großer Unternehmungen und stetig zunehmende Haftungsrisiken, mit denen das Gesetz bisher nicht Schritt halten konnte. Es gibt zwar Ausgleichsmechanismen (zB einen Ermessensspielraum bei unternehmerischen Entscheidungen und Haftpflichtversicherungen), trotzdem hat die Praxis weiterhin ein Bedürfnis nach verlässlicheren Haftungsbeschränkungen (zB auf grobe Fahrlässigkeit oder bestimmte Höchstbeträge). Solche Haftungsbeschränkungen kämen nicht nur den Organmitgliedern zugute, sondern auch der Gesellschaft, ihren Teilhabern und Gläubigern. Antizipieren Organmitglieder nämlich eine existenzbedrohende Haftpflicht, dann gehen sie zu einem risikoarmen Management über. Unternehmerischer Erfolg erfordert es aber, auch (kalkulierte) Risiken einzugehen. Pathetischer könnte man auch vom „Unternehmergeist“ sprechen. Deshalb haben alle Beteiligten ein Interesse an einem Haftungsniveau, das die unternehmerische Risikobereitschaft nicht hemmt, sondern begünstigt. In der juristischen Fachliteratur werden solche Haftungsmilderungen für die GmbH in Grenzen zugelassen, für die AG jedoch kategorisch abgelehnt. Für beide Rechtsformen galt es zu untersuchen, welche Schutzinteressen Einschränkungen der grundsätzlichen Dispositionsfreiheit der Gesellschaft erfordern. Im Vordergrund steht das Interesse der Gesellschaftsgläubiger, denen als Haftungsfonds nur das (naturgemäß beschränkte) Gesellschaftsvermögen zur Verfügung steht. Umstritten ist aber, welche Organpflichten genuin dem Gläubigerschutz dienen, und welche diesen nur reflexartig bewirken. Weitere Restriktionen gebietet der Schutz von Minderheitsgesellschaftern. So sind Verfügungen über Ersatzansprüche nur wirksam, wenn eine Minderheit zustimmt, die gesetzlich zur Durchsetzung von Ersatzansprüchen der Gesellschaft berechtigt ist. Eine weitere (allgemeine) Schranke ergibt sich aus dem Verbot sittenwidriger Geschäfte: Vorausverzichte auf Ersatzansprüche wegen vorsätzlicher Schädigung sind demgemäß jedenfalls unwirksam. Innerhalb dieser Grenzen (die im Einzelnen sehr umstritten sind und erst durch Gesetzesinterpretation freigelegt werden mussten) sind haftungsbeschränkende Dispositionen grundsätzlich zulässig. Die prämierte Dissertation liefert hier vor allem neue Begründungsansätze durch umfassende rechtshistorische Analysen auch unveröffentlichter Gesetzesmaterialien. Im Aktienrecht weicht die Arbeit auch ergebnisseitig von der fast einhelligen Ablehnung abstrakter Haftungsbeschränkungen ab, indem sie aufzeigt, dass die betreffenden Dispositionsschranken solchen Vereinbarungen nur scheinbar entgegenstehen.
Fabian Clemens Spendel hat das Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien 2014 abgeschlossen, das Doktoratsstudium der Rechtswissenschaften im September 2018. Zusätzlich studiert er Betriebswirtschaftslehre an der Wirtschaftsuniversität Wien. Am Institut für Unternehmens- und Wirtschaftsrecht der Universität Wien war Fabian Clemens Spendel Studienassistent (2014) und hatte anschließend eine Prae-Doc-Stelle als Universitätsassistent (2015-2016). Als Rechtsanwaltsanwärter hat Fabian Clemens Spendel in den Bereichen M&A sowie Bank- und Kapitalmarktrecht gearbeitet. Seit Mitte 2018 ist er in einer renommierten internationalen Wirtschaftskanzlei im Bereich Dispute Resolution mit Spezialisierung auf Litigation tätig.