Lisa Rösler wird für ihre Dissertationsschrift Diversion im Suchtmittelrecht ausgezeichnet.
Die österreichische Drogenpolitik ist eine politische Querschnittsmaterie, die nicht nur das Strafrecht, sondern auch das Gesundheitswesen betrifft. Sie ist damit ein vielseitiges Betätigungsfeld, das neben dem Bereich Sicherheit auch Suchtprävention und Suchthilfe umfasst. Die Reduzierung der alternativen Verfahrensbeendigungen im Suchtmittelrecht auf jene, die mit gesundheitsbezogenen Maßnahmen verbunden sind, greift allerdings zu kurz. Vielmehr handelt es sich um ein Konglomerat von Vorschriften, die einen „straflosen“ Verfahrensausgang ermöglichen.
Der Fokus der Arbeit liegt auf den intervenierenden Diversionsmaßnahmen als Alternative zur Strafe. Diese wurden sowohl dogmatisch als auch empirisch – im Rahmen einer bundesweiten Aktenerhebung sowie von Experteninterviews – untersucht. Im Theorieteil wird das geschützte Rechtsgut des österreichischen Drogenstrafrechts behandelt, die historische Entwicklung aufgearbeitet sowie die Gesetzessystematik, damit einhergehend das Gefährdungspotential von Suchtmitteln, die relevanten strafbaren Handlungen, die Diversionsbestimmungen sowie deren verfahrensrechtlicher Ablauf und ihr Verhältnis zueinander analysiert. Herausgearbeitet wurde unter anderem die „Gesundheit der Bevölkerung“ als ein Allgemeinrechtsgut, das nicht nur das Leben und die Gesundheit, sondern auch sozioökonomische Interessen der Gesellschaft als Schutzaspekte umfasst.
Der empirische Teil konzentriert sich auf die Entscheidungspraxis der Staatsanwaltschaften in Bezug auf diversionelle Maßnahmen im Suchtmittelstrafrecht. Festgestellt wurde, dass sich durch den Gesetzgeber geschaffene Ungereimtheiten in der Praxis widerspiegeln. So werden gleichgelagerte Sachverhalte unterschiedlich behandelt, wodurch nicht unerhebliche Diskrepanzen in der Rechtsanwendung die Folge sind. Zudem zeigte sich im Zusammenhalt mit dem theoretischen Teil die Entbehrlichkeit von bestimmten Suchtmitteldelikten als Bestandteil des gerichtlichen Strafrechts. Ferner wurde offensichtlich, dass die Diversion in dem Suchtmittelbereich, in dem ein Ermessensspielraum besteht, äußerst zurückhaltend angewandt wird. Auf Grundlage der dogmatischen und empirischen Untersuchung wurden Empfehlungen für die Gesetzgebung sowie für den Vollzug erarbeitet.
Lisa Rösler hat 2015 das Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien abgeschlossen. Danach absolvierte sie die Gerichtspraxis im Sprengel des OLG Wien und war anschließend in einer Wiener Anwaltskanzlei tätig. Das Doktoratsstudium an der Universität Wien begann sie im Jahr 2018. Zeitgleich trat sie eine Stelle als prae-doc-Universitätsassistentin am Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien an. Im Jahr 2022 war sie als juristische Mitarbeiterin im Bundesministerium für Inneres (Abteilung III/A/4 – Legistik) tätig. Nach ihrer Promotion im Oktober 2022 kehrte sie als post-doc-Universitätsassistentin an das Institut für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Wien zurück.