Ignaz L. Lieben-Preis 2023

Hannes Pichler wird für seine innovativen theoretischen Arbeiten an der Schnittstelle zwischen Quantenvielkörperphysik und Quanteninformationswissenschaft, insbesondere für die Formulierung grundlegender Prinzipien auf dem Gebiet der chiralen Quantenoptik und innovativer Algorithmen  für Rydberg-Atom-basierte Quantensimulatoren, ausgezeichnet.

Die Quantenphysik beschreibt die Natur auf mikroskopischer Ebene und beinhaltet Phänomene ohne Gegenstück in der klassischen Physik. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Möglichkeit von Quantensystemen, sich simultan in mehreren Zuständen zu befinden und mit anderen Quantensystemen verschränkt zu sein. Diese Eigenschaft liegt nicht nur unserem derzeitigen Weltbild zugrunde, sondern führt auch zu einem Paradigmenwechsel in unserem Verständnis von Informationsverarbeitung. Damit eröffnet die Quantenmechanik vollkommen neue Möglichkeiten für Kommunikation, Computing oder Metrologie.

Grundvoraussetzung zur Nutzung quantenmechanischer Effekte für solche Anwendungen ist die Möglichkeit, quantenmechanische Systeme in all ihren Freiheitsgraden kontrollieren und manipulieren zu können. Hannes Pichlers Arbeit verfolgt dafür den Ansatz, einzelne neutrale Atome als elementare quantenmechanische Bausteine zu verwenden und diese über ihre Wechselwirkung mit Licht zu kontrollieren. Mithilfe von optischen Pinzetten können neutrale Atome individuell gefangen und – in großer Anzahl – in vollkommen programmierbaren Strukturen nach Belieben angeordnet werden. Der elektronische Zustand jedes dieser Atome kann dann mit Laserlicht kohärent manipuliert werden. Insbesondere ist es möglich, Elektronen in hoch-angeregte atomare Orbitale – sogenannte Rydbergzustände – zu versetzen, wodurch elektrisch neutrale Atome stark wechselwirken und Quantenkorrelationen aufbauen können. Hannes Pichlers Arbeiten haben in mehreren Bereichen zur Entwicklung dieser Systeme beigetragen, Einsichten in die universellen emergenten Phänomene dieser künstlichen Quantenmaterie geliefert und unter anderem zur Entdeckung von Quantenvielteilchennarben geführt – einem quantenmechanischen Effekt, der einem kontraintuitiven, periodischen Verhalten von Vielteilchensystemen zugrunde liegt. Darüber hinaus wurden neue Methoden entwickelt, um klassische Optimierungsprobleme mithilfe von neutralen Atomen zu lösen, sowie neue Protokolle für fundamentale Quantengatter entworfen, welche die Basis moderner Designs von Quantenprozessoren mit neutralen Atomen bilden.

Neben diesen Anwendungen der Wechselwirkung zwischen Atomen und Licht beschäftigt sich Hannes Pichlers Forschung auch mit der Manipulation der Art und Weise, wie Licht mit Materie wechselwirkt, um beispielsweise die Richtung von spontan emittierten Photonen zu kontrollieren. Dies ermöglicht die Realisierung von chiralen Schnittstellen zwischen Licht und Materie mit Anwendungen in Quantennetzwerken und in photonischen Quantenprozessoren.

Der Preisträger

Hannes Pichler promovierte 2015 an der Universität Innsbruck. Im Anschluss war er als Postdoc am Institute for Theoretical Atomic, Molecular and Optical Physics an der Harvard University sowie am California Institute of Technology tätig. Im Jahr 2020 wurde er als Professor für Theoretische Quantenoptik an die Universität Innsbruck berufen. In Innsbruck leitet Hannes Pichler zudem eine Forschungsgruppe am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Stipendien und Auszeichnungen (Auswahl):
New Horizons in Physics Prize (2023), Hans und Walter Thirring Preis (2023), ERC Starting Grant (2021)

Der Preis

Der Ignaz L. Lieben-Preis wird für herausragende Arbeiten auf dem Gebiet der Molekularbiologie, Chemie oder Physik an Wissenschaftler:innen (bis 40 Jahre)  in Bosnien-Herzegowina, Kroatien, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Österreich vergeben.
Höhe des Preises: USD 36.000,-