Waltraud Heindl wird in Anerkennung ihrer Forschungen zur Geschichte des 19. Jahrhunderts, insbesondere ihrer Arbeiten zur Geschlechtergeschichte, ausgezeichnet.
Waltraud Heindl ist eine der renommierten und international bekannten Historikerinnen Österreichs. Ihre wissenschaftliche Karriere begann mit der Edition der Protokolle des österreichischen Ministerrats (1848-1867), die in enger Kooperation mit dem Historischen Institut der Ungarischen Akademie der Wissenschaften durchgeführt wurde. In den fünf Bänden der Ministerratsprotokolle ist es Waltraud Heindl gelungen, das bislang vorherrschende Bild eines vornehmlich neoabsolutistisch-autokratischen Regimes insofern zu korrigieren, als sie aus der Analyse der Ministerratsakten gerade auch die Implementierung von Reformen während dieser Epoche nachweisen konnte. Bis zu ihrer Emeritierung blieb Waltraud Heindl die treibende Kraft und Leiterin dieses Forschungsvorhabens.
Waltraud Heindl nahm ihre Lehrtätigkeit an der Universität Wien in den 80er Jahren auf und habilitierte sich 1990 für das Fach Geschichte der Neuzeit. Ihre Forschungsarbeiten zur Bürokratie-, Beamten- und Verwaltungsgeschichte wurden international rezipiert. In den beiden Monographien Gehorsame Rebellen (1991, 2013) und Josephinische Mandarine (2013) geht Waltraud Heindl von einem interdisziplinären, u.a. auch von der Soziologie (z.B. Max Weber, Norbert Elias, Pierre Bourdieu) beeinflussten Forschungsansätzen aus. Sie entwirft in beiden Publikationen ein multiperspektivisches kulturgeschichtliches Panorama einer Gesellschaftsschicht, die seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert ganz wesentlich an der Entstehung des modernen Staates beteiligt war.
Die Geschlechtergeschichte bildet einen weiteren Schwerpunkt in Waltraud Heindls Forschungstätigkeit. Die Publikation Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück ... Frauen an der Universität Wien (ab 1897), widmet sich der Entwicklung des Frauenstudiums an der Universität Wien. Ein weiteres Forschungsthema von Waltraud Heindl bilden Frauen- und Geschlechterbilder u.a. im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert (z.B. Maria Theresia, Karoline Pichler oder „männliche Helden“, z.B. ausgehend von den Entwürfen von Thomas Carlyle im 19. Jahrhundert). Als Gründungsmitglied und Mitherausgeberin von L’Homme. Zeitschrift für feministische Geschichtswissenschaft beteiligte und beteiligt sich Waltraud Heindl maßgeblich und aktiv an dem Geschlechterdiskurs der Gegenwart. Für ihre Forschungen zur Geschlechtergeschichte wurde Waltraud Heindl 1993 mit dem Käthe Leichter-Staatspreis für Frauenforschung ausgezeichnet; Waltraud Heindl war Vorstandmitglied des Rosa Mayreder College der Wiener Volkshochschulen.
Von 1997-2001 war Waltraud Heindl Direktorin des Österreichischen Ost- und Südosteuropa-instituts (OSI). In dieser Funktion intensivierte sie ihre wissenschaftlichen Kontakte zu Kolleginnen und Kollegen der damaligen östlichen Nachbarländer wie auch zu Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im „Westen“.
Mit ihren innovativen Forschungserkenntnissen zur Diplomatiegeschichte, zur Frauen- und Geschlechtergeschichte in Verbindung mit der Bildungs- und Universitätsgeschichte, aber auch zu Fragen der Sozial- und Kulturgeschichte hat Waltraud Heindl wichtige Anstöße zu weiterführenden Forschungen gegeben.
Waltraud Heindl studierte Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik an der Universität Wien und Fribourg; 1968 erfolgte die Promotion, 1990 die Habilitation für Neuere Geschichte an der Universität Wien. Schwerpunkte ihrer Forschungen: Wandel der Lebensformen in Europa, Alltagskultur der Stadt, Geschichte des Bürgertums, Geschlechterrollen: Ideale und Vorbilder, Selbstbilder in privaten Quellen, Staat und Bürokratie. Waltraud Heindl lehrte an der Universität Wien und war Direktorin des OSI; hatte Gastprofessuren an den Universitäten Innsbruck (Schwerpunkt Frauen- und Geschlechter-geschichte) und Fribourg (Schwerpunkt politische Geschichte in Zentraleuropa). An der Universität Wien leitet sie Privatissima für Diplomand/inn/en und Doktorand/inn/en.