Andreas Gottsmann wird für seine Habilitation Rom und die nationalen Katholizismen in der Donaumonarchie ausgezeichnet.
In seinen Forschungen befasst sich der Preisträger mit der Geschichte Österreichs in der zweiten Hälfte des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, insbesondere mit Fragen der österreichischen Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte, der Beziehungen zwischen Staat und Kirche in den Jahren von 1848 bis 1918, der Geschichte der Italiener in der Donaumonarchie sowie im Allgemeinen mit der Sprach- und Nationalitätenproblematik. Die ausgezeichnete Publikation, die mehrere Aspekte dieser Themenbereiche berührt, wurde 2009 als Habilitation für das Fach „Österreichische Geschichte" an der Universität Wien angenommen.
Über mehrere Jahrhunderte war in vielen Teilen der Habsburgermonarchie die konfessionelle Zugehörigkeit ein entscheidender Faktor für die Entstehung ethnischen Bewusstseins. Zwar verlor die Konfession als Identifikationsfaktor um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert an Anziehungskraft gegenüber sprachlich-nationalen Bindungen, dennoch blieb sie bis zum Ende der Donaumonarchie eine wichtige Grundlage nationaler Bewegungen, wobei der Nationsbegriff zunehmend mit sakralen Werten verbunden wurde. Die Studie liegt im Trend des zunehmenden Interesses an Religion als gesellschaftlicher Ordnungskategorie in multiethnischen Regionen und Staaten, weil sich die Nation als ultimativ konstitutive Ordnungskraft als untauglich erwiesen hat. Dennoch fehlte bisher die Betrachtung des Phänomens des Nationalismus aus der Perspektive der obersten Autorität der katholischen Kirche. Die Untersuchung umfasst die beiden Pontifikate Leos XIII. (1878-1903) und Pius' X. (1903-1914) und somit den Zeitraum, in dem die Problematik politisch in allen Teilen der Donaumonarchie eskalierte und die katholische Kirche in den Sog nationalistischer Propaganda zog. Den zahlreichen Streitigkeiten auf lokaler Ebene – im slowenischen Bereich, in Dalmatien, in Böhmen und Mähren sowie in den griechisch-katholischen Gebieten Galiziens, Ungarns und Siebenbürgens – stehen die großen konfessionspolitischen Diskussionen gegenüber und das Bemühen der römischen Kurie um allgemein gültige Aussagen und Leitlinien. Doch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden in der umstrittenen Frage der liturgischen Verwendung der Volkssprachen neue Wege beschritten, was zur Entschärfung vieler kircheninterner sprachpolitischer Konflikte beitrug.
Andreas Gottsmann, geb. 1961, studierte Geschichte und Politikwissenschaften an der Universität Wien, wo er 1988 promovierte. Danach war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an Projekten am Österreichischen Ost- und Südosteuropa-Institut (OSI) tätig, von 2002-2007 war er Assistent für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte am Österreichischen Historischen Institut in Rom und ist seither als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie der ÖAW beschäftigt. Im Jahr 2009 wurde Andreas Gottsmann für das Fach „Österreichische Geschichte" an der Universität Wien habilitiert.