Erwin Schrödinger-Preis 2019

Helmut Ritsch wird für seine hervorragenden Forschungsleistungen auf dem Gebiet der Quantenoptik, insbesondere für seine grundlegenden Beiträge zum theoretischen Verständnis der Materie-Licht-Wechselwirkung und der Hohlraum Quantenelektrodynamik (Cavity Quantum Electrodynamics CQED), ausgezeichnet.

Die Forschung von Helmut Ritsch zielt auf ein tieferes Verständnis der Wechselwirkung von Lichtquanten mit Materie. Seine Forschungsgruppe an der Universität Innsbruck konzentriert sich speziell auf deren theoretische Modellierung mittels der Hohlraum Quanten-Elektrodynamik und Anwendungen im Grenzbereich von Laserphysik, Festkörperphysik und Quanteninformationstheorie. Ins besondere steht die Dynamik von sehr kalten, atomaren oder molekularen Gasen in optischen Resonatoren im Fokus. In diesem Bereich muss man sowohl die Atome als auch die Photonen als Quantenwellen im Sinne von Schrödinger beschreiben.

In vielzitierten Arbeiten konnte Helmut Ritsch für kalte Gase in speziellen Laser- und Spiegelanordnungen nahe dem absoluten Temperaturnullpunkt eine erstaunliche, dynamische Selbstorganisation von periodischen Strukturen aus Licht- und Materiewellen vorhersagen, die gleichzeitig kristalline Ordnung und superfluide Welleneigenschaften besitzen. Solche sogenannten ‚Super Solids‘ konnten kürzlich auch experimentell gefunden werden. Ihre inzwischen experimentell bestätigten ungewöhnlichen Eigenschaften prädestinieren sie zum Bau von höchstempfindlichen Beschleunigungssensoren und Gravimetern. Sie haben auch das Potenzial, zu einer neuen Generation von aktiven Atomuhren zu führen.

In einem weiteren hoch-aktuellen Anwendungsbereich lassen sich mit lichtinduzierten Kristallen aus kalten Atomen auch komplexe Optimierungsprobleme lösen. Ein kürzlich dazu publizierter entsprechender Vorschlag zur Implementierung des sogenannten N-Damen-Problems besitzt sehr gute Chancen, die Überlegenheit von Quantensimulatoren über klassische Supercomputer mit derzeit verfügbarer Technologie auch praktisch im Labor zeigen zu können.

Eine weitere Arbeit in Kollaboration mit Monika Ritsch-Marte, Medizinische Universität Innsbruck, sagte bisher übersehene, unerwartete Lichtkräfte durch die Schwarzkörperstrahlung heißer Materie voraus, die kürzlich in Atominterferometern nachgewiesen werden konnten und auch in der Astrophysik relevant sein dürften.

Aktuelle Arbeiten untersuchen die Funktion der Struktur des Antennenkomplexes biologischer Photosynthese-Moleküle. Und ein von ihm vorgeschlagenes Verfahren zur Laserkühlung von Festkörpern mittels gasbefüllter Hohlfasern wurde kürzlich zum Patent angemeldet und wird derzeit experimentell getestet.

Der Preisträger

Helmut Ritsch promovierte 1989 im Fach Theoretische Physik an der Universität Innsbruck. Anschließend forschte er als Postdoc in Innsbruck, Konstanz, Boulder und München. 1993 wurde er an der Universität Innsbruck habilitiert (venia docendi im Fach Theoretische Physik). 1996/97 forschte Helmut Ritsch im Rahmen eines Marie Curie-Projekts an der Universität Mailand. Ab 1998 war er ao. Professor an der Universität Innsbruck; seit 2011 ist Helmut Ritsch Professor am Institut für Theoretische Physik in Innsbruck. Er leitete das Institut von 2009-2013 und ist seit 2017 erneut Vorstand dieses Instituts.

Auszeichnungen (Auswahl): Ludwig-Boltzmann-Preis der Österreichischen Physikalischen Gesellschaft (1993); Dr. Otto Seibert Wissenschafts-Förderungs-Preis (2004), Scottish Universities Physics Alliance (SUPA) distinguished visitor award, Glasgow (2008), JILA visiting fellow award (2019).