Katharina Prager wird für ihre Publikation Berthold Viertel – Eine Biografie der Wiener Moderne, erschienen 2016 im Böhlau Verlag Wien, ausgezeichnet.
Der in Wien geborene Schriftsteller und Regisseur Berthold Viertel (1885-1953) hinterließ ein umfangreiches, aber fragmentarisches autobiografisches Projekt, das sich durch Exil und Remigration vielfach verändert hat. In Katharina Pragers gedächtnisgeschichtlicher Auseinandersetzung mit seiner autobiografischen Praxis wird Berthold Viertel als wesentlicher Akteur und Netzwerker der Kulturszene Wiens sichtbar sowie als Repräsentant einer kritischen Modernität, deren Traditionslinien er durch sein Schreiben bewahren wollte.
Moderne in Wien – das war für Berthold Viertel der Kampf zweier Generationen vor dem Hintergrund der sich modernisierenden Habsburgermonarchie. Seine eigene jüdisch-kleinbürgerliche Familie war aus Galizien zugezogen und Viertel wuchs in einer durch Karl Lueger geprägten Stadt auf, in der ihn im Lauf seiner Kindheit deutsche Kultur und Katholizismus ebenso wie Antisemitismus und Nationalismus prägten. Schon am Gymnasium erklärte er sich zum Kulturanarchisten, machte sich sexuelle Emanzipation zum Programm und beschäftigte sich mit der Sozialdemokratie aufgrund seines Naheverhältnisses zur „Familie Adler“. Sein Studium erlebte er in Folge als ein Zusammenspiel von reaktionärer Universität, militärischer Ausbildung und jenen Denkschulen, die sich außerhalb der Institutionen in Kreisen und Kaffeehäusern etablierten. Karl Kraus wurde dabei zu einer kritischen Leitfigur, mit der Berthold Viertel eine enge, aber ambivalente Freundschaft verband. Um 1912 versuchte Berthold Viertel über das Theater endlich selbst gesellschaftskritisch wirksam zu werden. Wenig später aber zerstörte der Erste Weltkrieg alle reformatorischen Ansätze der für Berthold Viertel so bedeutsamen kritischen Modernität und verstärkte ihre dunklen, problematischen Seiten, die auch in enger Verbindung mit den folgenden Katastrophen des 20. Jahrhunderts standen.
Katharina Prager hat im November 2005 im Fach Theater-, Film- und Medienwissenschaft promoviert und war am Ernst-Krenek-Institut-Privatstiftung und an Institut für den Donauraum und Mitteleuropa als wissenschaftliche Mitarbeiterin war tätig (2005-2008). Im November 2016 hat Katharina Prager an der Universität Wien im Fach Zeitgeschichte promoviert. Seit 2012 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Geschichte und Theorie der Biographie. An der Wienbibliothek im Rathaus arbeitet sie an der Neuorganisation des Karl Kraus-Archivs.