Jubiläumspreis des Böhlau Verlages Wien 2022

Stephan Nicolussi-Köhler wird für seine Monographie Marseille, Montpellier und das Mittelmeer. Die Entstehung des südfranzösischen Fernhandels im 12. und 13. Jahrhundert. Heidelberg University Publishing 2021, ausgezeichnet.

Die vorliegende Monographie beschäftigt sich mit der Frage nach den Ursachen für das Aufleben des mediterranen Fernhandels im Hochmittelalter. Der Erfolg der Kommerziellen Revolution wird in erster Linie mit den Erfolgen der wichtigsten Hafenstädte und ihren wirtschaftspolitischen Ambitionen in der Levante verbunden. Dabei vollzog sich im 11., 12. und 13. Jahrhundert eine mindestens ebenso wichtige Entwicklung in Westeuropa: die Intensivierung lokaler Handelskreisläufe. Diese lokalen Handelsbeziehungen sind allerdings aufgrund der schlechten Quellenlage schwieriger zu erforschen. Um die Bedeutung des Lokalhandels für den sich intensivierenden Fernhandel zu erforschen, rekonstruiert diese Studie minutiös lokale und überregionale Handelsbeziehungen der Städte Marseille und Montpellier. Damit widmet sich dieses Buch der Entwicklung der Handelsambitionen zweier Städte, die normalerweise nicht im Fokus des wirtschaftsgeschichtlichen Interesses stehen und fragt nach den Ursachen für die sich im 13. Jahrhundert vollziehenden Veränderungen des Mittelmeerhandels.

Wie hat die Vernetzung lokaler südfranzösischer Kaufleute zum kommerziellen Aufschwung der Städte Marseille und Montpellier im 12. und 13. Jahrhundert beigetragen? Wie hat das Binnenland durch die Bereitstellung von Waren, Kapital und Menschen den expandierenden Mittelmeerhandel der größeren Küstenstädte ermöglicht? Der Ursprung des Fernhandels wird in dieser Studie nicht nur mit der Errichtung der Kreuzfahrerherrschaften im Osten erklärt, sondern direkt an seiner Wurzel erforscht, nämlich an den lokalen Handelskreisläufen im Hinterland der Hafenstädte. In mikrohistorischen Untersuchungen zu bestimmten Kaufmannsfamilien, Handelsschiffen und Handelsprivilegierungen werden bisher unbekannte Verbindungen zwischen den verschiedenen wirtschaftlichen Akteuren zum Vorschein gebracht und so neue Sichtweisen auf die Entwicklung des südfranzösischen Fernhandels im Mittelalter eröffnet.

 

Der Preisträger

Stephan Nicolussi-Köhler hat 2012 das Diplomstudium Geschichte an der Universität Wien abgeschlossen. Von 2013 bis 2014 war er externer Dozent an der Universität Wien. Während des Doktoratsstudiums war Stephan Nicolussi-Köhler wissenschaftlicher Mitarbeiter (Praedoc) am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte der Universität Mannheim (2014 bis 2017); es folgten Forschungsaufenthalte in Marseille, Montpellier und Paris. Die Promotion im Fach Mittelalterliche Geschichte zum Thema der Entwicklung des südfranzösischen Fernhandels im 12. und 13. Jahrhundert erfolgte 2018 an der Universität Mannheim. Anschließend war er von 2018 bis 2021 Mitarbeiter (Postdoc) im von der Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt Kleinkredit und Marktteilhabe an der Universität Mannheim. 2021 wechselte Stephan Nicolussi-Köhler als Universitätsassistent (Postdoc) an das Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie an der Universität Innsbruck, wo er seit 2022 eine Stelle als Assistenzprofessor innehat. Seine aktuelle Forschung befasst sich mit vormodernen Kreditmärkten und der Bedeutung von Kleinkrediten und Pfandleihe im Alpenraum. Er ist unter anderem Mitglied der GSWG (Gesellschaft für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte), EHS (Economic History Society), GIRO (Medieval Finance Network), und des Arbeitskreises für Spätmittelalterliche Wirtschaftsgeschichte.