Paul Keckeis wird für seine Dissertation Robert Walsers Gattungen ausgezeichnet.
Robert Walser (1878-1956) gilt als einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts. Elfriede Jelinek nennt Walser „eine singuläre Erscheinung in der Geschichte der Literatur“, sie kenne „nichts Vergleichbares“.
Auch die Literaturwissenschaft schätzt Walser als Autor, dessen Werk sich durch eine besondere Eigenständigkeit und Originalität auszeichnet. Walsers Texte – diese Beobachtung bildet den Ausgangspunkt der Arbeit von Paul Keckeis – handeln dabei aber selten vom ‚Unverwechselbaren‘ oder ‚Individuellen‘, sondern verraten vielmehr ein ausgeprägtes Interesse für die gesellschaftlichen Zusammenhänge der Literatur, für die soziale Codierung literarischer Sprechweisen und ästhetischer Konventionen. Was haben Kunstfragen und Lebensfragen miteinander zu tun? Was heißt es, ein Gedicht zu schreiben oder einen Roman, wenn die Literatur an der gesellschaftlichen Wirklichkeit teilhaben soll, ohne sich ihr ganz ergeben zu müssen? Warum ist eine Novelle mehr wert als Texte, die im Feuilleton publiziert werden? Was haben soziale und ästhetische Ordnungen und Hierarchien miteinander zu tun? In solchen Fragen, in den Gattungen und in der eigenen Gattungsbiografie findet Walser Stoff für ein literarisches Lebensprojekt, das selbst unter Ausschluss der Öffentlichkeit noch bis zuletzt am gesellschaftlichen Zusammenhang der Literatur festhält. Von Walsers Gedichten, Märchendramoletten und fingierten Schulaufsätzen über die Feuilletons, Prosastücke und Romane bis in sein ‚Bleistiftgebiet‘: die Gattungen sind hier nicht bloß ex post von Bedeutung, als theoretische oder analytische Kategorien, sondern geben Auskunft darüber, wie die zentralen Dimensionen dieses Werks - literarische Produktion und gesellschaftliche Position, ästhetische Innovation und literarischer Markt, Konvention und Kreativität - miteinander verbunden sind.
Die Arbeit von Paul Keckeis leistet die erste umfassende Untersuchung über die zentrale Bedeutung der Gattungskategorie bei Robert Walser und zeigt, dass dessen Werk auch als Aufforderung dazu verstanden werden muss, einen Begriff von literarischer Kreativität zu entwickeln, der die Mystifikationen von Autorschaft nicht weiterschreibt, sondern Normativität und Konvention, auch Kollektivität, als deren Voraussetzung anerkennt.
Paul Keckeis hat an der Universität Wien das Diplomstudium Deutsche Philologie und Geschichte 2009 abgeschossen. Von 2011-2012 war Paul Keckeis Junior Fellow des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften / Kunstuniversität Linz in Wien. An der Universität Salzburg hat er 2016 im Fach Deutsche Philologie promoviert und war ab 2013 Universitätsassistent am Fachbereich Germanistik. Paul Keckeis war von 2016-2017 Lehrbeauftragter an den Universitäten Salzburg und Wien; seit Oktober 2018 ist er Mitarbeiter am Institut für Germanistik der Universität Klagenfurt.