Die Österreichische Akademie der Wissenschaften verleiht Angelika Adensamer den Dissertationspreis für Migrationsforschung 2023 für ihr Dissertationsprojekt Automatisierte Sprachanalyse im Asylverfahren. Rechtsschutz gegen Algorithmen im Verwaltungsrecht.
Automatisierte Analysen werden zunehmend auch in der staatlichen Verwaltung eingesetzt – nicht zuletzt auch im Asylverfahren. In Deutschland wird mittels einer Software der Dialekt der Asylwerbenden analysiert, um davon auf ihre Staatsangehörigkeit zu schließen. Der ganze Migrationsbereich der EU befindet sich seit einigen Jahren im ständigen Ausbau von Datenbanken, biometrischen Identifizierungsmethoden und Verfahren künstlicher Intelligenz.
Dies wirft die Frage auf, wie Betroffene von Entscheidungen, die auf automatisch generierten Beweisen beruhen, diese rechtlich bekämpfen können. Gerade im Asylbereich ist die Bedeutung eines funktionierenden Rechtsschutzes groß. Die Antragssteller:innen sprechen typischerweise weder die Landessprache, noch kennen sie das Rechtssystem und seine Gepflogenheiten, während von der Entscheidung über die Schutzgewährung oft buchstäblich ihr Leben abhängt.
Auf der anderen Seite stehen Programme, deren Funktionsweise und Datenbasis den Betroffenen nicht offen zugänglich gemacht werden, deren Ergebnisse auch die Behörden oftmals nicht erklären können, bzw. die in Fällen von machine learning vielleicht gar nicht erklärbar sind. Es ist jedoch unmöglich, Beweise zu entkräften, die intransparent oder nicht nachvollziehbar sind.
Das Dissertationsprojekt umfasst eine rechtliche Analyse der gegebenen Rechtsschutzmöglichkeiten, deren Anwendbarkeit auf algorithmische Beweise und rechtliche Probleme und Lücken, die sich im EU-Recht, im Verfassungsrecht und im einfachen Verwaltungsverfahrensrecht aus dem Algorithmeneinsatz ergeben. Die automatisierte Spracherkennung zur Herkunftslandbestimmung dient als Anwendungsbeispiel. Schließlich werden auch Voraussetzungen und Grenzen für Algorithmen im verwaltungsrechtlichen Beweisverfahren, sowie verwandte Lösungsansätze, die als rechtspolitische Empfehlungen dienen können, herausgearbeitet.
Angelika Adensamer hat 2014 das Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien und 2016 das Masterstudium in Criminology and Criminal Justice an der University of Oxford abgeschlossen. Ihre Dissertation ist Teil des Projekts DiGrenz – Digitalisierung im Asylverfahren an der Universität Graz, unter Betreuung von Prof. Iris Eisenberger. Derzeit arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Vienna Centre for Societal Security (VICESSE) im FWF-geförderten Projekt Policing the Pandemic (POLIPA). Ihre Forschungsschwerpunkte sind staatliche Überwachung und Datenverarbeitung, polizeiliche Ermittlungsbefugnisse und Fragen der Verantwortung für Algorithmen.