Victoria Reitter wird für ihr Dissertationsprojekt On the Production of Statelessness. The Cases of Austria and Spain ausgezeichnet.
Unter der weltweit geflüchteten oder vertriebenen Bevölkerung sind viele tausend Menschen staatenlos, d.h. sie besitzen keine anerkannte Staatsbürgerschaft und damit keine legale Existenz. Um grundlegende Rechte für staatenlose Personen sicherstellen zu können, besteht vonseiten des Hohen Flüchtlingskommisars der UN (UNHCR) die Forderung nach der Einführung von formalen Feststellungsmechanismen für Staatenlosigkeit. Obwohl die Staatenlosigkeitskonventionen von 1954 und 1961 von fast allen EU-Mitgliedstaaten ratifiziert wurden, verabschiedeten nur wenige solche Feststellungsverfahren und aufgrunddessen sind in der EU sehr unterschiedliche Verfahrenspraktiken zu beobachten.
Ziel des empirischen Dissertationsprojekts von Victoria Reitter ist es, die lokalen Konfigurationen und spezifischen Verwaltungspraktiken in staatlichen Behörden Österreichs und Spaniens hinsichtlich der Registrierung und Identifikation von Staatenlosigkeit zu untersuchen. Beide Staaten waren in den letzten Jahren mit erhöhter Asylmigration und damit einhergehend mit steigender Staatenlosigkeit konfrontiert – allerdings verfügt Spanien über besonders detaillierte Feststellungsmechanismen für Staatenlosigkeit, während Österreich keine verlgleichbaren Verfahren aufweist. In beiden Fällen ist bisher wenig darüber bekannt, wie die Feststellung von Staatenlosigkeit auf nationaler bzw. lokaler Ebene in der Praxis umgesetzt wird, und wie die Grenzziehung zwischen Schutzstatusberechtigten und Nicht-Berechtigten erfolgt. Die vergleichende Forschungsperspektive zielt darauf ab, sowohl den Unterschieden als auch den Gemeinsamkeiten in beiden Kontexten mit kontrastierenden Verfahrensmodellen Rechnung zu tragen. Mit qualitativen Methoden (Interviews mit Expert/inn/en, teilnehmende Beobachtung und Dokumentenanalyse) sollen jene Entscheidungspraktiken in staatlichen Behörden beleuchtet werden, die die Registrierung von staatenlosen Personen betreffen. Victoria Reitters Dissertationsprojekt verfolgt das Ziel mit einer Untersuchung der Mesoebene die Bedingungen für und Grenzen der nationalstaatlichen Mitgliedschaft aus organisationssoziologischer Sicht zu erklären und den Diskurs über die Beziehung zwischen Inklusion und Exklusion voranzutreiben.
Nach ihrem Diplomstudium im Fach International Business Economics an der Wirtschaftsuniversität Wien (Abschluss 2008) absolvierte Victoria Reitter an der Universität Wien das Bacherlorstudium der Kultur- und Sozialanthropologie (Abschluss 2013) und anschließend das Masterstudium (Abschluss 2017). Seit 2017 untersucht sie im Rahmen ihrer Dissertation die Herstellungspraktiken der Staatenlosigkeit an der Abteilung Soziologie der Universität Salzburg, wo sie als Universitätsassistentin tätig ist. Victoria Reitter erhielt das Förderungsstipendium der Universität Wien (2015) sowie der Universität Salzburg (2019) und war zudem in internationalen und nationalen Forschungsprojekten tätig, u.a. in der Forschungsgruppe INEX, am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien sowie am Institut für Stadt- und Regionalforschung der ÖAW.