zu gleichen Teilen an Silvana Weber und Angelika Frühwirth
Angelika Frühwirth wird für ihr Dissertationsprojekt Ökonomien des Weltverlusts. Prosa und Gedächtnis iranischer Autorinnen im Exil (in Europa) ausgezeichnet.
Am Beispiel von Autorinnen, die kurz vor oder nach der „Islamischen Revolution“ (1978/79) nach Europa ausgewandert sind, befasst sich Angelika Frühwirth in ihrer Dissertation mit den spezifischen Lebens- und Publikationsbedingungen iranischer Exilautorinnen sowie den daraus hervorgegangenen Formen der literarischen Narration. Dabei geht sie von der Annahme aus, dass Lebenswelten im Exil Kollisionen verschiedener Sprachen, kultureller Konventionen und unterschiedlicher Machtstrukturen ausgesetzt sind und dass diese von erhöhter Dynamik durchzogenen Produktionsräume sich maßgeblich auf das Kunstschaffen auswirken. Michel Foucault folgend begreift sie die spezielle Lebenssituation der im Exil Verorteten Dispositiven unterworfen, die sich verschiedenartig in kreativen Prozessen niederschlagen. Jene „abstrakten Regierungshandlungen“ bilden die Grundlage der Subjektivierungsprozesse innerhalb der Exilsphäre und spielen für die Identitätsfindung der Autorinnen eine große Rolle: Sprache, Selbstbild und Rekonstruktionen der Vergangenheit finden zu einer eigenen Poetik.
Die Verstrickung des individuellen Erfahrungsgedächtnisses in ein heterogen charakterisiertes Umfeld, umgeben von unterschiedlichen kollektiven Identitäten, mündet in einen diffizilen Balanceakt: Die Verortung des Subjekts verharrt in Schwebe; Schranken werden passiert, Perspektiven überlagert, verstärkt oder abgeschwächt, Sinnstiftung ad absurdum geführt; Polyphonie und Intertext bilden daher eine Grundkonstante der Erzählungen, deren multiple Referenzwelten drohen, die ohnehin arbiträre Bindung zwischen Signifikat und Signifikant vollständig aufzulösen. Transiträume sowie permeable Membranen kennzeichnen die Erzähldimensionen verlorener Gewissheit. Das Schwinden von räumlichen und zeitlichen Grenzen, das Abdriften in magische Zwischenwelten, die Umkehrung etablierter Parameter führt die Absurdität von zur Gewohnheit bzw. zum Zwang gewordenen Konventionen vor Augen.
Die Analyse dieser Phänomene konzentriert sich auf folgende Fragestellungen: Welche textuellen Strukturen kommen in den literarischen Werken zur Anwendung und welche Distanz nehmen die Autorinnen zu dem Erlebten ein? Welche Rolle spielt weibliche Autorschaft bzw. wie wird diese in den Werken sichtbar gemacht? Wie wird Intersubjektives für den Leser/die Leserin erfahrbar gemacht und inwiefern könnten jene Eruptionen „an der Peripherie“ stellvertretend für eine Wende globaler Weltordnungen und die Zukunft gesellschaftspolitischer Konstellationen gelesen werden?
Angelika Frühwirth studierte Vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Wien. Seit 2009 ist sie Doktorandin an der Abteilung für Vergleichende Literaturwissenschaft der Universität Wien. Das Studienjahr 2012/13 verbrachte sie als Stipendiatin des IFK (Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien) am Pariser INALCO (Institut National des Langues et Civilisations Orientales).