Dissertationspreis für Migrationsforschung 2018

Christoph Novak wird für sein Dissertationsprojekt Politics of Belonging in Diverse Space. Qualitative Analysis of Narratives about Daily Life and Local Space of Young Muslims Living in Vienna and Zurich ausgezeichnet.

In Europa sind junge Musliminnen und Muslime verstärkt damit konfrontiert, dass ihre Zugehörigkeit zu und Loyalität gegenüber der nationalen Gesellschaft, in der sie leben, in Frage gestellt werden. Seit den Golfkriegen stehen sie dabei zunehmend unter dem Generalverdacht des Terrorismus und muslimische religiöse Praktiken werden oft als Zeichen einer anti-europäischen Grundhaltung gedeutet. Auch in Österreich und der Schweiz haben diese Vorstellungen deutliche Spuren in politischen Diskursen und Debatten, besonders jenen über Integration, Zuwanderung und Asyl, hinterlassen. Entgegen der naheliegenden Annahme eines daraus folgenden „clash of civilizations“ zeigt sich in der Realität jedoch gerade in den durch Diversität geprägten urbanen Zentren, dass große Konflikte zwischen ethnischen, sprachlichen und religiösen Gruppen eher die Ausnahme als die Regel sind. Der britische Soziologe Paul Gilroy erklärt dies damit, dass alltägliche Interaktionen über Gruppengrenzen hinweg die Heterogenität des Umfeldes zur Normalität werden lassen.
Das vorliegende Projekt untersucht die sprachliche Konstruktion von Zugehörigkeiten im Spannungsfeld der Existenz anti-muslimischer, rassistischer Diskurse einerseits und des größtenteils friedlichen Zusammenlebens in urbanen, durch Vielfalt geprägten Räumen andererseits.
Mit narrativen Interviews und Foto-Interviews mit jungen muslimischen Erwachsenen in Zürich und Wien wird erforscht, wie diese Personen ihr soziales Umfeld sprachlich darstellen und sich selbst darin verorten. Diese Beschreibungen des Verhältnisses von Individuum und Gesellschaft versteht Christoph Novak als politische Akte der Positionierung. Bei der Analyse liegt der Fokus bewusst auf der gesamten Interviewsituation. Dabei wird auch der Einfluss des Interviewers als einem (in diesem Fall) weißen, männlichen, etc. Forscher und Zuhörer reflektiert. Dieses Projekt unterstreicht zudem das Potential von Foto-Interviews für die Politikwissenschaft und leistet darüber hinaus einen wissenschaftlichen Beitrag zu Debatten um Diversität und anti-muslimischem Rassismus in Österreich und der Schweiz.

Der Preisträger

Christoph Novak schloss 2012 das Diplomstudium der Politikwissenschaften an der Universität Wien und 2013 das Masterstudium in Culture, Diaspora, Ethnicity am Birkbeck College, University of London, ab. Als wissenschaftlicher Projektmitarbeiter arbeitete er von 2014-2016 für die Schweizer Paraplegikerforschung. Seit 2015 ist er im Rahmen einer Cotutelle de thèse Doktoratsstudent in Politikwissenschaften an den Universitäten Genf und Wien und seit 2016 DOC-Stipendiat der ÖAW am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.