Haliemah Mocevic wird für ihr Dissertationsprojekt Migrationshintergrund und Bildungserfolg aus sozialpsychologischer Perspektive ausgezeichnet.
Der Anspruch auf gleich verteilte Bildungs- und Lebenschancen, der zu den Grundfesten der demokratischen Gesellschaft zählt, gewinnt angesichts der gesellschaftlichen Diversität an Relevanz, zeigt sich in der Realität aber immer wieder unerfüllt: Forschungsergebnisse belegen, dass Schüler*innen mit Migrationshintergrund strukturelle Benachteiligungen gegenüber der Mehrheitsgesellschaft erleben. Sie sind häufiger in geringer qualifizierten Schulzweigen zu finden, erbringen im Durchschnitt schlechtere Leistungen bei standardisierten Tests und verlassen die Schule häufiger ohne Abschluss (vgl. OECD, 2015; Oberwimmer et al., 2018). Nicht nur aus normativen, sondern auch aus ökonomischen Gründen sowie im Sinne des Sozialgefüges wird es zunehmend wichtiger, möglichst allen Menschen in einer Gesellschaft die Entfaltung ihrer Potenziale zu ermöglichen. Wie kann aus psychologischer Sicht zur Erklärung und Veränderung von Bildungsungleichheiten beigetragen werden?
Auf der Grundlage der Basic Psychological Needs Theory (Deci & Ryan, 2002) sowie aktuellen Befunden zu Stereotype Threat (Steele & Aronson, 1995), untersucht Haliemah Mocevic in ihrem Dissertationsprojekt subtile psychische Barrieren, die Schüler*innen mit Migrationshintergrund am Anfang in der Sekundarstufe 2 an österreichischen AHS in ihrer Schulleistung einschränken. Zudem wird die Wirkung einer identitätsbasierten Weisen Intervention geprüft.
An der Erhebung nahmen 467 Schüler*innen aus 21 Klassen der 9. und 10. Schulstufe teil. Der Feldstudie lag ein randomisiertes, quasiexperimentelles, dreifaktorielles Design mit je einer Kontrollgruppe zugrunde: 2 (Migrationshintergrund: ja vs. nein) x 2 (Stereotype Threat: aktiviert vs. nicht aktiviert) x 2 (Identitätspriming: einfaches vs. multiples Identitätskonzept).
Moderations- und Mediationsanalysen (Hayes, 2018) decken auf, dass sowohl ein Stereotype Threat- Effekt, als auch die Frustration psychologischer Grundbedürfnisse partiell zur Erklärung von Leistungseinbußen bei Schüler*innen mit Migrationshintergrund beitragen. Zusatzanalysen deuten darauf hin, dass einige Schüler*innengruppen von der Minimalintervention profitieren.
Somit trägt das vorliegende Dissertationsprojekt durch evidenzbasierte Erklärungs- und Lösungsansätze, die effizient im schulischen Alltag eingebaut werden können, zu mehr Bildungsgerechtigkeit in vielfältigen Klassen bei.
Haliemah Mocevic hat an der Universität Salzburg neben dem Masterstudium Psychologie (2014) auch den Masterlehrgang Intercultural Studies abgeschlossen (2012). Postgraduelle Fachausbildungen zur Klinischen Psychologin und Gesundheitspsychologin absolvierte sie bis 2017. Von 2015 bis 2019 war Haliemah Mocevic als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule Salzburg tätig und bis 2020 am Österreichischen Zentrum für psychologische Gesundheitsförderung im Schulbereich (ÖZPGS) als Schulpsychologin beim Mobilen interkulturellen Team. Ihr Dissertationsprojekt ist an der Schnittstelle von sozialpsychologischer, Migrations- und empirischer Bildungsforschung verortet. Seit Oktober 2021 hat Haliemah Mocevic eine Stelle als Senior Scientist am Fachbereich Erziehungswissenschaft der Universität Salzburg; darüber hinaus engagiert sie sich in verschiedenen Projekten für benachteiligte soziale Gruppen.
Auszeichnungen (Auswahl):
AK-Wissenschaftspreis (2014), Auszeichnung der Stadt Salzburg für ehrenamtliches Engagement für benachteiligte soziale Gruppen (2015), Marie Andeßner-Stipendium (2020). Das Dissertationsprojekt wurde auch mit dem Young Investigators Award der Universität Salzburg (1. Platz in der Themengruppe Understanding Society; Education, History, Social Sciences; 2021) sowie dem Publikumspreis in der Night of Excellence (2022) ausgezeichnet.