zu gleichen Teilen an Jeremias Stadlmair und Eva Kössner
Jeremias Stadlmair wird für sein Dissertationsprojekt Defining Citizenship by Wealth. Economic Requirements for Naturalisation in Western European Countries ausgezeichnet.
In zahlreichen europäischen Staaten ist zur Erlangung der Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung ein gewisser Grad an ökonomischer Selbstständigkeit erforderlich, etwa indem die Möglichkeit der Einbürgerung an bestimmte Einkommensrichtwerte gekoppelt wird oder indem hohe Gebühren für Einbürgerungsverfahren erhoben werden. Dementsprechend bekommt der Zugang von MigrantInnen zur Staatsbürgerschaft – und die damit einhergehenden politischen Rechte sowie symbolische Inklusion – eine ökonomische Dimension: Zugang zur politischen Gemeinschaft haben oftmals nur jene, die über hinreichende finanzielle Mittel verfügen. Neben bedeutenden Konsequenzen auf individueller Ebene kommt solchen Kriterien auch eine gesamtgesellschaftliche Relevanz zu: Die Unbedingtheit politischer Rechte als ein zentrales Prinzip demokratischer politischer Systeme wird durch eine ökonomische Konditionalität infrage gestellt.
Infolge von Einwanderung und deren Politisierung kam es insbesondere seit den 1980ern in der Staatsbürgerschaftspolitik westeuropäischer Staaten zu zahlreichen Reformen: Neben Staatsbürgerschaftstests und Sprachkompetenzen als Kriterien erlangen auch ökonomische Erfordernisse in vielen Staaten zunehmende Relevanz. Allerdings kann hier keineswegs von einem einheitlichen Trend gesprochen werden; daher kommt der Frage besondere Bedeutung zu, warum in bestimmten Ländern ökonomische Kriterien eingeführt wurden, während dies in anderen Ländern nicht debattiert wird. Ziel des Dissertationsprojekts von Jeremias Stadlmair ist es, ökonomische Einbürgerungsvoraussetzungen in westeuropäischen Staaten vergleichend darzustellen, herauszuarbeiten, unter welchen Umständen diese eingeführt oder verändert werden und zu erörtern, wie diese politisch gerechtfertigt werden und inwiefern sie mit zentralen demokratischen Normen vereinbar sind.
In der gegenwärtigen Literatur zu Staatsbürgerschaftspolitik wird insbesondere auf unterschiedliche Staatsbürgerschaftstraditionen sowie die Stärke rechtspopulistischer Parteien als erklärende Faktoren für Politikbeständigkeit und -wandel verwiesen. Hinsichtlich ökonomischer Einbürgerungsvoraussetzungen verfügen diese Argumente jedoch nur über eine beschränkte empirische Evidenz. Im Dissertationsprojekt werden konservative Parteien ins Zentrum der Analyse gerückt, da diese eine ideologische Disposition zu (ökonomischer) Leistung als Zugangskriterium zu politischer Teilhabe aufweisen, von ökonomisch benachteiligten MigrantInnen tendenziell wenig politische Unterstützung erwarten können und sich oftmals an rechtspopulistische Parteien im Migrations- und Integrationsdiskurs anpassen. Zudem verfügen konservative Parteien durch Regierungsbeteiligungen häufig über die für Politikreformen nötigen politischen Ressourcen.
Methodisch ist das Dissertationsprojekt in vier Phasen gegliedert: Zuerst erfolgt eine deskriptive Bestandsaufnahme ökonomischer Einbürgerungsvoraussetzungen in den EU-15 über den Zeitraum von 1985-2012. Anschließend wird am Beispiel von Staatsbürgerschaftsreformen in Österreich untersucht, wie sich verschiedene politische Parteien hinsichtlich unterschiedlicher Einbürgerungskriterien positionieren. Eine qualitativ-vergleichende Analyse (fuzzy-set QCA) zur Prüfung der Erklärungskraft einer Reihe unterschiedlicher Faktoren (u.a. Regierungskonstellationen, Stimmenanteile politischer Parteien, Einwanderungs- und Einbürgerungsraten und Staatsbürgerschaftstraditionen) auf die Ausprägung ökonomischer Einbürgerungsvoraussetzungen bildet den Kern der Dissertation. Abschließend folgt eine theoretische Reflexion, bei der Begründungen ökonomischer Einbürgerungsvoraussetzungen vor dem Hintergrund aktueller Debatten um Demokratiequalität und politische Grenzziehungsprozesse (boundary making) diskutiert werden.
Jeremias Stadlmair studierte Politikwissenschaft an den Universitäten Salzburg, Warwick und Wien und ist seit 2012 Universitätsassistent und Dissertant am Institut für Politikwissenschaft der Universität Wien.